Bisher handelnde Personen:
Versicherungsverkäufer Bernd Protaschke
2. Ehefrau: Kassiererin Inge Protaschke
Sohn: Peter
1. Ehefrau: Clara
Freundin von Inge: Johanna
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
von
Pascale Anhalt
-Teil 6 -
Peter´s Besuch
vor der Einschulung
Samstag, 05.August 1978:
Morgen werde ich meinen Peter aus Frankfurt abholen. Inge bleibt Zuhause. Sie macht mit dem Auto noch ein paar Besorgungen für die Woche mit Peter.
- Notiz: Zugfahrkarte auf den Esstisch legen. Treffen mit Clara und Peter an der Wurstbude am Gleis 2
Sonntag, 06.August 1978:
Inge betrank sich gestern wieder auf dem Balkon. Schon am Freitag klimperten die Bierflaschen in ihrer Einkaufstasche, die sie nach ihrem letzten Dienst vor dem Urlaub mitbrachte. Ich trank 2 Flaschen mit, bevor ich ins Bett wollte. Mein zeitiges Zubettgehen stieß bei ihr auf Unverständnis. Sie verstand nicht, dass ich Peter nicht übermüdet und mit einer Bierfahne entgegennehmen möchte. Mein Wecker klingelte um 05.00 Uhr. Als ich mit dem Bus zum Bahnhof fuhr, trank sie immer noch. Ich hoffe sie hat etwas geschlafen, wenn ich heut Abend mit Peter Zuhause ankomme. Eigentlich wollte sie uns abends mit dem Auto vom Bahnhof Hannover abholen. Ich bin gespannt, ob das alles gut klappt.
Abfahrt um 07.05 Uhr nach Frankfurt. Heute Morgen regnete es in Strömen. Ich habe im Zug noch etwas geschlafen, bevor ich den Speisewagen aufsuchte. 2 Frikadellen mit Kartoffelsalat + 1 Cola für 5,80 DM. Ankunft in Frankfurt um 11.25 Uhr.
Ich war ganz aufgeregt, meinen Sohn wiederzusehen. Clara und Peter kamen mit dem Zug um 12.35 Uhr aus Stuttgart. Peter lief mit seinem kleinen Köfferchen in der linken und seinem Teddy in der rechten Hand gleich auf mich zu. Clara brachte uns noch zum Gleis 5. Unser Zug nach Hannover fuhr um 13.45 Uhr ab. Clara fuhr kurz danach wieder nach Stuttgart zurück.
Peter war ganz aufgeregt, denn er liebt es mit der Eisenbahn zu fahren. Bevor wir uns ins Abteil zurückzogen, habe ich mit Peter im Speisewagen noch Mittag gegessen. Er schaute viel aus dem Fenster. Nun ist er gerade eingeschlafen, eine Stunde vor der Ankunft.
Wird Inge, wie verabredet, um circa 18.00 Uhr auf den Parkplatz vor dem Bahnhof auf uns warten?
Montag, 07.August 1978:
Als Inge gestern um 18.30 Uhr immer noch nicht da war, ging ich mit Peter in eine Telefonzelle und rief Zuhause an. Mit heiserer, müder und leicht genervter Stimme sagte sie mir, wir sollen uns ein Taxi nehmen. Es täte ihr Leid, sie war gerade erst wach geworden.
Peter begrüßte Inge sehr euphorisch, ihre Reaktion war eher verhalten. War auch kein Wunder, wenn man noch am nächsten Tag weiter säuft und nur ein paar Stunden schläft. Inge und ich deckten den Tisch für das Abendessen, anschließend brachte ich Peter zu Bett. Er schläft auf dem Klapp-Sofa im Gästezimmer, so wie sonst auch. Wir schauten noch Fernsehen, schliefen aber beide währenddessen auf dem Sofa ein und gingen kurz nach Mitternacht ins Bett.
Peter wurde früh wach, kam ins Schlafzimmer und zupfte mit seinen großen, wachen Augen an meiner Bettdecke. Ich stand auf und ging mit ihm ins Wohnzimmer. Inge pampte in ihrem Halbschlaf irgendetwas herum, als wir das Schlafzimmer verließen. Ich machte Peter für´s Frühstück fertig und wir deckten den Tisch im Wohnzimmer. Es war bereits 11.00 Uhr als sich Inge bemüßigt sah, sich endlich aus dem Bett zu erheben. Sie braucht nach dem Aufstehen meistens fast eine Stunde, bis sie ansprechbar ist. Obwohl ich das meinem Sohn mehrmals sagte, plapperte er munter auf sie ein. Inge nahm sich eine Tasse Kaffee und ging erstmal allein auf dem Balkon. Peter spielte im Gästezimmer mit den Autos. Ich ging nach kurzer Zeit zu ihr auf dem Balkon, um kurz den Tagesablauf zu besprechen.
Das Frühstück ist vorbei, Inge macht sich gerade im Bad fertig und Peter spielt im Gästezimmer.
Gleich fahren wir mit dem Bus in den Zoo, eine Aktivität, die sich mein Sohn so sehr wünschte. Da man kaum Parkplätze findet, lassen wir das Auto lieber stehen. Der Zoo in Hannover hat ganz andere Tiere als der Zoo in Stuttgart. Peter ist ganz aufgeregt. Ich hoffe sehr, dass der Tag friedlich und entspannt verläuft.
Dienstag, 08.August 1978:
Der gestrige Zoobesuch war für meinen Sohn offenkundig nicht so schön, wie er es sich vorher ausgemalte. Ein Vater merkt so etwas ganz genau. Inge kam schlecht aus dem Bett, war den ganzen Tag über hinweg weniger gut gelaunt. Aber gut, wenn man für so viele Stunden die Bierflaschen und Weingläser nicht vom Hals bekommt, dann wundert mich ihr Gemütszustand nicht. Es ist nur sehr schade für Peter, weil er nichts dafür kann, dass meine Frau an manchen Tagen mit dem Trinken kein Ende findet. Wir schauten viele Tiergehege an und besuchten das große Vogelhaus. Am späten Nachmittag gab es Pommes & Bratwurst, dazu Fanta und Cola. Auf dem Rückweg lud ich Inge und Peter in eine schöne Pizzeria in der Nähe des Zoo´s ein. Inge trank wieder ein Bier, sie war aber sehr müde und sprach nicht viel. Peter spielte mit dem Salzstreuer auf dem Tisch herum, worüber sich Inge aufregte. Irgendwie merkte sie nicht, dass sie mit ihrem Verhalten die ganze Vorfreude von Peter auf dem Gewissen hatte. Wir waren erst gegen 22.00 Uhr Zuhause und gingen kurz danach ins Bett.
Das Frühstück ist vorbei. Inge ist im Bad und Peter malt im Gästezimmer. In wenigen Minuten fahren wir mit dem Auto in ein großes Freizeitbad, das ganz in der Nähe von Hannover liegt.
Mittwoch, 09.August 1978:
Inge wird mir von Woche zu Woche, von Tag zu Tag unsympathischer! Sie ist sowas von empfindlich und leicht reizbar, dass ich mich wundere, wie sie die vielen Stunden an der Kasse hinbekommt. Wie kann man sich nur so dermaßen darüber aufregen, das mein Peter, ganz ersichtlich im Spaß, ein paar Wassertropfen über ihre Beine tröpfeln lies, während sie Zeitung las? Sie hätte es bei einer Ermahnung doch belassen können, aber so beleidigt zu sein und sich gleich anzuziehen, finde ich echt übertrieben. Inge motzte meinen Sohn richtig heftig an. Von diesem Moment an war sein Tag gelaufen. Eigentlich wollten wir gestern bis abends im Schwimmbad bleiben, wir fuhren jedoch schon früher los, weil die Stimmung im Eimer war. Inge regte sich auch über spielende Kinder auf und weil sie beim Schwimmen ein paar Tropfen Wasser ins Gesicht abbekam, als ein Kind, das ihr vorausschwamm, bei einer Schwimmbewegung ungünstig mit dem Fuß ins Wasser trat. Bevor wir nach Hause fuhren, wollte sie noch in den Supermarkt. Mir war klar, was sie kaufen wollte. Ich hatte mal wieder Recht, denn am Ende klimperten wieder viele Bierflaschen in ihrer Einkaufstasche und ich wusste genau, wie dieser Dienstagabend enden würde.
Inge wollte mit Peter und mir kein Abendbrot essen. Sie lief gleich durch die Wohnung auf den Balkon, als wollte sie vor uns flüchten und zischte die erste Bierpulle auf. Peter wunderte sich und verstand nicht, warum Inge nicht mit uns essen wollte. Während ich noch etwas mit Peter im Gästezimmer spielte, telefonierte Inge auf dem Balkon mit Johanna. Das Telefonkabel ist lang genug. Als Peter dann eingeschlafen war, setzte ich mich zu ihr. Meine Frau war merklich schlecht gelaunt. Inge drehte das Radio laut auf und signalisierte mir damit, dass sie keine Lust auf eine Konversation mit mir hatte. Ich trank mit ihr ein Bier und legte mich dann ins Bett. Sie kam während der Nacht mehrmals ins Schlafzimmer, meckerte mich über belanglose Dinge lautstark an, sodass Peter alles mithören konnte. Als sie um 03.00 Uhr wieder auf den Balkon ging, legte ich mich zu meinem Sohn ins Gästezimmer in der Hoffnung, das sie vor seinem Schlaf Respekt hat und nicht in den Raum kommt. Inge suchte mich wieder im Schlafzimmer auf, sah, dass ich nicht im Bett lag und polterte ins Gästezimmer hinein. Licht an. Meckerte lautstark auf mich ein, beugte sich mit übelriechender Bierfahne über mich und verlies totternd wieder das Zimmer. Mein Sohn wurde wach, schlief aber gleich wieder ein. Ich ging ins Schlafzimmer, weil ich nicht wollte, das Peter ihr erbärmliches Verhalten noch einmal mitbekommt. In der Wohnung wurde es ganz plötzlich still und leise. Ich ging gegen 07.00 Uhr auf die Toilette und sah meine Frau schlafend auf dem Sofa liegen. Als Peter um 08.00 Uhr wach wurde, verschwand sie ins Schlafzimmer und sie schläft nun immer noch.
Eigentlich wollten wir heute ins Kino gehen. Es ist nun 15.00 Uhr und ich gehe jetzt mit Peter auf den Spielplatz auf dem Hof.
Donnerstag, 10.August 1978:
Als ich gestern Nachmittag mit Peter vom Spielplatz wieder nach Hause kam, stand Inge in der Küche und hat sich Kaffee gekocht. Sie war etwas besser drauf und tat so, als hätte es die schweren Vorfälle von Dienstag, die sich bis in den frühen Mittwochmorgen hineinzogen, nicht gegeben. Wir fuhren am frühen Abend mit Peter in den Supermarkt, haben dann mit ihm Abendbrot gegessen und verschoben den Kinobesuch auf den heutigen Tag.
Inge hängt gerade die Wäsche auf, Peter schaut etwas im Fernsehen und gleich gibt es Mittagessen. Heute Nachmittag fahren wir ins Kino und schauen "Krieg der Sterne". Vor dem Kinobesuch rufe ich Clara an, um mit ihr nochmal kurz die Übergabe am Samstag in Frankfurt zu besprechen. Peter freut sich auch darauf, mit seiner Mutter zu telefonieren.
Freitag, 11.August 1978:
Der Kinofilm hat Peter und mir sehr gut gefallen, meine Frau war nicht so sehr begeistert. Nach dem Kino lud ich beide in ein jugoslawisches Restaurant ein, das sich gleich neben dem Kino befindet. Inge konnte sich mit dem Alkohol zurückhalten.
Peter wünschte sich für heute Abend zum Abendessen "Nudeln mit Bolognese". Ich war damit einverstanden, aber Inge hatte keine Lust auf diese Mahlzeit und somit wurde sein Wunsch abgelehnt. Es gibt Kartoffeln mit Quark. Heute ist schon der letzte Tag mit meinem Sohn. So schnell geht eine Woche vorbei. Wie wird es Peter bei uns gefallen haben?
Heute wollten wir den kleinen Tierpark nahe Salzgitter besuchen, aber es regnet in Strömen. Inge macht Haushalt, Peter packt so langsam seine Sachen zusammen, denn morgen früh geht es wieder zurück nach Stuttgart.
- Notiz: Zugfahrkarten von Peter und mir auf den Esstisch legen. Treffen mit Clara wieder an der Wurstbude am Gleis 2 in Frankfurt.
Samstag, 12.August 1978:
Peter und ich kamen pünktlich in Frankfurt an. Als er seine Mutter an der Wurstbude sah, rannte er freudig in ihre Arme. Peter sah mich beim Abschied ganz traurig an. Ich kann seinen Blick nicht so richtig deuten. Schaute er so, weil seine Erwartungen nicht erfüllt wurden oder weil es ihm so gut gefallen hat und die gemeinsame Zeit nun vorüber ist?
Ich fahre gerade wieder zurück von Frankfurt nach Hannover. Wenn es keine Verspätung gibt, bin ich gegen 19.00 Uhr Zuhause. Ich hoffe die Inge ist nüchtern.
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Bisher handelnde Personen:
Versicherungsverkäufer Bernd Protaschke
2. Ehefrau: Kassiererin Inge Protaschke
Sohn: Peter
1. Ehefrau: Clara
Freundin von Inge: Johanna
Schwester: Ingelore-Irmgard Schnepfenzank
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 7 -
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank
Dienstag, 15.August 1978:
Inge und ich sprachen beim Frühstück nochmal unsere Anreise zur Einschulung durch. Wir nehmen das Auto, damit wir bezüglich der Abfahrtzeiten flexibler sind. Inzwischen ist es auch kaum noch vorstellbar, mit Inge für die frühen Morgenstunden einen Zug zu buchen, der fix abfährt und sich nicht nach ihren Schlafgewohnheiten richtet. Man weiß nie, wann sie ins Bett geht.
- Notiz: Hotel in der Stuttgarter Innenstadt buchen.
Einschulungsgeschenk: Schulranzen, Schultüte und 100 DM für Sparbuch.
Mittwoch, 16.August 1978:
Nach über einem Jahr Funkstille rief Ingelore an. Inge übergab mir gleich den Hörer als sie ihre Stimme hörte. Sie hätte von Clara, zu der sie offenbar wieder guten Kontakt hat, gehört, dass Peter bei uns zu Besuch war. Ingelore beschwerte sich, warum sie ihn nicht sehen und monatelang nicht mit ihm telefonieren "durfte".
Ein Telefonat mit ihr macht seit Jahren grundsätzlich keinen Sinn, denn sie monologisiert permanent und man kommt kaum zu Wort. Schon seit Jahrzehnten konstruiert sie harmlose Ereignisse, die sie sich nicht erklären kann, zu einer Art Verschwörung gegen sich. In ihrer eignen Welt hat sie immer Recht. Ingelore versucht unentwegt, andere zu dominieren und subtil zu beeinflussen. In ihrer Gegenwart fühle ich mich wie ein kleiner Junge mit einem Nuckel im Mund.
Als ich ihr höflich zu erklären versuchte, dass es nicht um "dürfen" geht, sondern darum, dass sie Peter doch eigenständig über Clara hätte anrufen können, kamen Vorhaltungen aus meiner Jugendzeit, die mit dem Thema nichts zu tun hatten. Und warum soll ich einen Menschen, der mir gegenüber so dermaßen negativ eingestellt ist, anrufen?
Ingelore hatte sich Jahre zuvor mit Clara in der Wolle, ich war noch derjenige, der im Sinne von Peter versuchte zu schlichten. Ich habe noch in Erinnerung, welch widerliche Worte sie damals für Clara übrig hatte, wenn sie über sie spottete. All diese Dinge sind wohl in Vergessenheit geraten! Meine diplomatischen Bemühungen waren allseits bekannt, wurden aber durch das rohe Frauengezänk, gegen das jeder Mann auf der Welt machtlos ist, immer wieder torpediert und zu Nichte gemacht. Und seit dem sie verheiratet ist, lebt sie noch isolierter in ihrer Weltsicht. Nun verstehen sich Clara und Ingelore gut, das freut mich für die beiden. Ingelore braucht mir aber keine Vorhaltungen zu machen, weshalb man wenig Interesse zeigt mit ihr Zeit verbringen zu wollen. Es war schon unmöglich und respektlos, wie sie sich bei meiner Hochzeit von Inge und mir aufführte. Sie begriff nicht, dass wir das Brautpaar waren, unsere Wünsche im Vordergrund standen und nicht die der heiligen Frau Schnepfenzank.
Das Telefonat, oder besser gesagt der Monolog, wurde nach fast 2 Stunden genauso zänkisch beendet, wie (überwiegend) die Jahre zuvor: Durch Auflegen ohne schöne Verabschiedung. Ich kam, wie fast immer, sehr selten zu Wort und konnte, auch wie fast immer, meine Sicht der Dinge nicht zu Ende erzählen ohne eine Unterbrechung von ihr.
Während des Telefonats hatte Inge 2 Flaschen Bier und 3 Gläser Wein getrunken, weil sie sich mal wieder unnötig in etwas hineinsteigerte, dass man eh nicht ändern kann. Auf der einen Seite war ich froh, dass Ingelore am Hörer endlich schwieg, nun hatte ich auf der anderen Seite Inge meckernd im Ohr. Bis 04.00 Uhr in der Frühe meckerte sie mir hinterher, obwohl sie eigentlich hätte wissen müssen, das mich Ingelore anrief und nicht umgekehrt. Ich wollte einen ruhigen Abend verbringen und trage keine Schuld an einem aufgezwungenen Anruf. Ich stand um 06.00 Uhr völlig übermüdet auf und ging ins Büro.
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Bisher handelnde Personen:
Versicherungsverkäufer Bernd Protaschke
2. Ehefrau: Kassiererin Inge Protaschke
Sohn: Peter
1. Ehefrau: Clara
Freundin von Inge: Johanna
Schwester: Ingelore-Irmgard Schnepfenzank
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 8 -
Peter´s Einschulung
Sonntag, 27.August 1978:
Die gestrige Rückfahrt aus Stuttgart war eine Katastrophe. Was bin ich froh, dass Inge gestern und heute mal früh ins Bett gegangen ist.
Aber zuerst einige Gedanken zu unseren Tagen in Stuttgart:
Nun ist mein Sohn ein "Großer" geworden. Die Kita- und Vorschulzeit ist vorüber und seine frühe Kindheitsphase neigt sich dem Ende entgegen. Die Einschulung ist in der Kindheitsentwicklung ein ganz besonderer Augenblick, an den man sich ein Leben lang erinnert. Leider wird sich Peter auch an Inge´s peinlichen Auftritt erinnern.
Mein Sohn hat sich riesig über unseren Besuch und seine Geschenke, die wir ihm gleich zu Beginn des Tages überreichten, gefreut. Inge kam am Freitag, den Tag der Einschulung, nur schwer aus dem Bett. Sie musste sich am Donnerstag beim Abendessen im Hotelrestaurant unbedingt die Kante geben, obwohl sie ganz wusste, dass wir am nächsten Tag einen wichtigen Akt in Peter´s Leben feiern wollten. Offenbar hat es sich noch nicht bis zu Inge herum gesprochen, dass eine Einschulung morgens beginnt und sich nicht nach ihren Aufstehzeiten richtet. Wenn man eine Pulle Rotwein, vier Bier und 2 Schnäpse trinkt und erst um 03.00 Uhr einschläft, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn man morgens um 07.00 Uhr nicht hoch kommt. Hätten wir im Hotel noch gefrühstückt, würde Peter immer noch am Schultor auf uns warten.
Ich war heilfroh, als wir um 09.00 Uhr vor Clara´s Wohnung ankamen und ich nicht lange einen Parkplatz suchen musste. Es dauerte nur wenige Augenblicke bis Peter´s Einschulungsgemeinschaft weiter zu seiner Grundschule fuhr. Die Festakt begann um 10.30 Uhr in der Aula. Inge war von Anfang an schlecht gelaunt und leicht reizbar. Während der Einschulungszeremonie suchte mein Sohn stets den Blickkontakt zu uns allen, insbesondere zu Clara und mir. Nach einer Ansprache des Rektors und einem musikalischen Stück einer Kinderkapelle, begann die Einteilung der Schulklassen. Die Kinder gingen mit ihrem jeweiligen Klassenlehrer in die Klassenräume. Anschließend gab es für alle Kinder und den anhängigen Einschulungsgesellschaften Kaffee & Kuchen in der Turnhalle. Gegen 13.30 Uhr verabschiedeten sich die ersten Familien und fuhren nach Hause, um dort weiter zu feiern.
Clara hatte Kuchen gebacken und zum Abendessen gab es Kartoffelsalat & Würstchen. Inge denkt immerzu, sie sei etwas Besseres. Obwohl meine Frau eigentlich froh sein sollte, dass es ihr gut gelingt eine Kasse zu bedienen, vermutet sie ihre intellektuelle Überlegenheit gegenüber anderen Menschen. Steht sie nicht im Mittelpunkt, ist sie schnell beleidigt. Obwohl einige anwesende Damen, wie z.B. Clara´s Freundinnen, das Gespräch mit ihr suchten, blockte sie schnippisch ab. Irgendwann war ihr der Trubel merklich zu viel. Inge und ich verabschiedeten uns gegen 21.00 Uhr, weil wir am nächsten Morgen, für Inge´s Verhältnisse mitten in der Nacht, früh aufstehen mussten, denn vor uns lag eine lange Autofahrt nach Hannover.
Inzwischen bin ich froh, wenn Inge an der Kasse sitzt und arbeitet oder wenn sie schläft. Ihre Unberechenbarkeit im Suff löst in mir Panikgefühle aus. Wenn ich morgens ins Büro gehe, dann kann ich abends nach der Arbeit nicht mehr sicher sein, ob sie, wegen einer albernen Nichtigkeit, meine Sachen vor die Tür gestellt hat. Während der letzten Monate sagte sie oft nach ein paar Gläser Wein, ich könne die Koffer packen und gehen, am besten sofort. Damit löst sie in mir Angstzustände aus, denn soll ich auf der Straße schlafen? Inge steigert sich, wenn ich angeblich die Wäsche nicht richtig aufgehangen oder einen Teller "falsch" in den Schrank gestellt habe, so dermaßen in eine schlechte Laune hinein. Leider kommt es immer gehäufter zu Exzessen, die ich einfach nicht mehr aushalte. Es ist nichts mehr schön in meinem Leben. Ich kann mich nicht mehr frei entfalten, weil ich immer auf ihre Stimmung Rücksicht nehmen muss.
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Bisher handelnde Personen:
Bernd Protaschke: Versicherungsverkäufer
Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
Johanna: Freundin von Inge
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 9 -
Zwischen den Bananen-Kisten?
Dienstag, 12.September 1978:
Der Sommer neigt sich dem Ende entgegen. Seit Tagen regnet es und von einem möglichen Altweibersommer ist bisher weit und breit keine Spur. Der diesjährige Sommer war aber sehr sonnig und es regnete sehr wenig.
Irgendwie erinnere ich mich gelegentlich an Inge´s Beichte, sie hätte ihren damaligen, langjährigen Freund mit einem Kollegen im Dienst betrogen. Offenbar ging es nach Dienstschluss, kurz bevor sie den Supermarkt abschließen sollte, gehörig mit einem Kollegen zwischen den Bananen-Kisten rund, wobei kein Auge trocken geblieben sein soll. Ich glaube ihr diese Geschichte glatt, denn auch während ihrer Jugend tingelte sie zwischen den Männern umher, wenn ihr der Sinn danach stand.
Mir ist aufgefallen, dass meine Frau gelegentlich später von der Arbeit nach Hause kommt als sonst. Normalerweise braucht sie nach Dienstschluss keine 30 Minuten zwischen dem Supermarkt und der Wohnung, es sei denn, sie kauft noch irgendwo ein. Seit längerer Zeit häufen sich ihre Verspätungen deutlich und nur selten trägt sie Einkaufstaschen, die auf einen eindeutigen Verspätungsgrund hinweisen, bei sich. Als ich einmal nachfragte, regierte sie schnippisch. Ich solle mir nicht einbilden, dass sie bei mir Minutenprotokolle ablegen müsse.
Donnerstag, 14.September 1978:
Heute konnte ich gute Abschlüsse tätigen, sodass ich eine Stunde früher aus dem Büro gehen konnte. Außerdem sagte mir ein Kunde wegen Krankheit ab. Ich beschloss in den Supermarkt zu gehen, um ein paar Einkäufe zu tätigen. Mein letzter Besuch bei Inge im Supermarkt war irgendwann Anfang Mai. Ich erinnere mich noch ganz genau, wie sie mich anstrahlte als sie mich sah.
Ich betrat den Markt am späten Nachmittag. Als ich reinkam saß Inge nicht an der Kasse, so wie die meiste Zeit des Tages, denn zu dieser Zeit war sie mit dem Ausräumen von Kisten beschäftigt. Ich konnte sie im Gang bei den Konserven sehen, circa 30 Meter von mir entfernt. Sie konnte mich aber nicht sehen, weil ich hinter dem großen Stapel der Getränke Kisten stehen blieb. Ein Kollege half ihr bei der Verräumung der Dosensuppen. Er war etwas größer als ich und trug eine Brille. Trotz der Entfernung von circa 30 Metern konnte ich sehen, wie die beiden sich immer wieder anlächelten und ganz kurz berührten, als kein Kunde in ihrem Gang war. Nach circa 3 Minuten drehte ich mich um und verließ, leicht irritiert, den Supermarkt. Auch heute Abend kam sie etwas später nach Hause als gewöhnlich. Ich habe beschlossen Inge auf all das nicht anzusprechen. Sie sitzt wieder auf dem Balkon und telefoniert mit irgendjemandem. Ich muss gleich ins Bett gehen, weil ich morgen viele Termine im Büro bewerkstelligen muss.
Sonntag, 17.September 1978:
Inge und ich besuchten heute Nachmittag ein Volksfest nahe des Hauptbahnhofes Hannover. Neben einem bunten Bühnenprogramm spielten dort auch mehrere Live-Bands. Wie aus dem Nichts heraus stand dieser Mann aus dem Supermarkt neben ihr. Sie stellte uns gegenseitig vor: "Bernd, hier ist mein neuer Kollege Heinrich. Heinrich, hier ist mein Mann Bernd." Die gegenseitige Vorstellerei beruhigte mich in meiner Vermutung einer Affäre weniger, wie sich kurz darauf herausstellen sollte. Wir 3 standen vor der Bühne und Inge bat mich darum, eine Runde Bier holen zu gehen. Als ich wiederkam und sich beide unbeobachtet fühlten, sah ich erneut diese gegenseitig verliebten Blicke. Und immer dann, wenn Inge und Heinrich glaubten, ich schaute zur Bühne und bekäme nichts mit, sah ich aus dem Augenwickel heraus ihre kurzen Berührungen.
Inzwischen ist es 21.00 Uhr. Inge trinkt noch Wein und schaut Fernsehen, ich dusche gleich und gehe bald ins Bett. Wie soll ich mit der Angelegenheit zwischen Heinrich und Inge umgehen? Ich denke mal, ich nehme diese (vermutete) Liebelei erst einmal so hin. Was sich tatsächlich oder mutmaßlich zwischen den Obst- und Gemüsekisten im Supermarkt abspielt oder auch nicht, bleibt für mich unwissentlich. Vielleicht ist das auch gut so.
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Bisher handelnde Personen:
Bernd Protaschke: Versicherungsverkäufer
Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
Johanna: Freundin von Inge
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 10 -
Neues Badezimmer I
Mittwoch, 01.November 1978:
Ich hatte gestern noch einmal mit Inge wegen dem neuen Badezimmer gesprochen, das ich ihr nachträglich zur Hochzeit schenken möchte. Kurz nach unserer schnellen Verlobung hatten wir besprochen, dass ich zu ihr in die etwas größere Wohnung (im Vergleich zu meiner damaligen Wohnung) ziehe. Da das Badezimmer oll ist und die Schubladen beim Öffnen teilweise schon auseinanderfallen, möchte ich mich erkenntlich zeigen und für uns diesen Raum neu einrichten lassen.
Finanziell braucht sie sich gar nicht über mich zu beschweren, denn ich überweise den Großteil der Miete auf ihr Konto. Auch sonst bezahle ich nahezu alle Restaurantbesuche, die meisten Einkäufe inklusive den Großteil der Aufenthalte bei Urlaubsreisen. In der Summe hat sie durch mich mehr Einnahmen als Ausgaben, auch weil sie durch meine Bezahlungen weniger Ausgaben hat. Leider vermisse ich an der einen oder anderen Stelle ihre Dankbarkeit oder zumindest eine wohlwollender Kenntnisnahme.
Freitag, 03.November 1978:
Heute Nachmittag fuhren wir in ein großes Möbelhaus, das auch viele Badezimmer-Angebote im Programm vorweisen kann. Im Katalog des Möbelhauses hatten wir uns schon die Möbel und die dazugehörige Badewanne ausgesucht, die Maße des Badezimmers hatten wir akribisch ausgemessen und dem Berater vorgelegt. Wir mussten auch eine Bescheinigung des Vermieters vorzeigen, auf der geschrieben Stand, dass er mit dem Umbau des Badezimmers einverstanden ist. Nach über 2 Stunden Beratungszeit hatten wir uns für die Möbel entschieden und ein Termin für den Einbau vereinbart. Eine 30-prozentige Anzahlung war sofort fällig, die ich an der Kasse mit einem Scheck bezahlte.
Auf dem Weg nach Hause kaufte sich Inge an der Tankstelle eine Flasche Wein und etwas Bier, um das neue Badezimmer zu begießen. Ich trank 2 Biere mit und ging dann ins Gästezimmer an den Schreibtisch, um meine Finanzen zu planen. Inge telefonierte mit Johanna und anschließend mit Heinrich. Seit einigen Wochen kommt sie wieder pünktlicher nach Hause. Ihre "Liebelei" zwischen den Kisten, die ich nicht beweisen kann, aber stark vermute, ist wohl nicht mehr im Gange.
Es ist nun bald 01.00 Uhr in der Früh. Auf allen Fernsehsendern ist Sendeschluss. Inge hört noch Radio und telefoniert, mit wem auch immer, schon seit Stunden. Eigentlich wollten wir heut noch besprechen, wann wir das alte Badezimmer rausreißen und entsorgen. Ich lege mich gleich ins Bett.
Sonntag, 05.November 1978:
Inge torkelte gestern gegen 05.00 Uhr ins Bett, rammte dabei den Kleiderschrank und meckerte noch etwas vor sich her, bevor sie einschlief. Sie wollte mich in ein Gespräch verwickeln, aber ich stellte mich schlafend. Ich stand um 10.00 Uhr auf, sie hingegen schwebte erst gegen 14.00 Uhr aus dem Bett. Leider ist sie meistens eine ganze Weile nicht ansprechbar, wenn sie nach einem Suff wach geworden ist. Immer öfter stelle ich mir die Frage, was ich eigentlich für eine Ehe führe. Es ist kaum etwas planbar und nichts ist vorhersehbar, weil sich alles nach ihr richten muss. Gestern haben wir bis circa 15.00 Uhr kaum ein Wort gewechselt. Nachmittags lagen wir auf dem Sofa und schauten etwas Fernsehen.
Heute macht sie große Wäsche und möchte anschließend mit mir den Keller aufräumen. In den kommenden Tagen rede ich mit ihr über den Umbau des Badezimmers, denn auch wenn die Handwerker erst Ende November kommen und das Bad einbauen, so müssen wir vorher noch einige Dinge erledigen.
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Bisher handelnde Personen:
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Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
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Heinrich: Kollege von Inge
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Pascale Anhalt
-Teil 11 -
Neues Badezimmer II
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Peter kündigt sich zu Weihnachten an
Montag, 13.November 1978:
Clara und Peter haben uns gestern Abend angerufen. Peter möchte gern über Weihnachten zu uns nach Hannover kommen. Ich habe mich riesig über seine Idee gefreut, Inge hingegen klang eher verhalten und weniger euphorisch. Das genaue Datum entscheidet sich in wenigen Tagen, obwohl ich davon ausgehe, dass er zwischen dem 22.12 und und 28.12. kommen wird.
Inge und ich haben uns für kommenden Mittwoch & Donnerstag Urlaub genommen. Morgen werde ich noch ein letztes Mal in die Badewanne gehen, bevor wir am Mittwoch das Bad ausräumen. Der größere Teil der Garnitur kommt auf den Sperrmüll, den Rest der Möbel übernimmt unsere Nachbarin Frau Isenburg. Mittwoch nach dem Ausräumen noch die Decke streichen.
Am Donnerstag kommen um 07.00 die Badezimmermonteure und machen das Bad flott inkl. Badewanne, Kacheln (Fußboden und teilweise Wand) und Beleuchtung. Die zweite Rate der noch offenen 4500 DM überweise ich bis Ende des Monats.
Freitag, 17.November 1978:
Es ist endlich soweit: Unser neues Badezimmer ist fertig! Die 3 Monteure waren gestern bis circa 19.00 Uhr beschäftigt, bevor wir den Abnahmezettel unterschreiben mussten. Inge und ich tranken am Abend ein Bier und schliefen vor dem Fernseher ein. Die letzten Tage waren sehr anstrengend und ermüdend, daher gingen wir stets früh ins Bett. Inge trank in dieser Woche, bis auf gestern Abend, keinen Tropfen Alkohol. Ich bin Stolz darauf, dass sie bisher gut durchgehalten hat. Natürlich bin ich nicht naiv und ich vermute, dass sie diese Phase nicht lange durchhält. Inge ist ein "Stresstrinker". Sobald ihr etwas gegen den Strich geht -meistens sind es Banalitäten, über die sie sich aufregt- greift sie zur Pulle.
Der heutige Bürodienst war kurzweilig. Ich hatte 4 Termine und 2 Abschlüsse vorzuweisen. Inge liegt vor dem Fernseher. Gleich schauen wir noch einen Spielfilm und legen uns dann ins Bett.
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Bisher handelnde Personen:
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Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
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Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Anna Klein: Bernd´s neue Liebe
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Pascale Anhalt
-Teil 12 -
Weihnachten mit Peter
+
Anna Klein
Freitag, 22.Dezember 1978:
Seit heute habe ich endlich ein paar Tage Urlaub! Das gemeinsame Frühstück mit Inge ist nun beendet, sie muss heute nochmal in den Supermarkt an die Kasse, bevor auch sie Urlaub hat. Morgen früh hole ich Peter mit dem Zug aus Frankfurt ab. Inge kümmert sich währenddessen um die letzten Einkäufe, die wir für die Weihnachtsfeiertage benötigen und packt die Geschenke für Peter ein. Ich hoffe sehr, dass die starken Schneefälle nachlassen und es keine Zugausfälle gibt.
Gestern, es war der letzte Termin vor meinem Urlaub, kam eine äußerst interessante und hübsche Dame in mein Büro und erkundigte sich nach einem Bausparvertrag. Als sie ins Zimmer hineinkam, musterten mich unentwegt ihre wunderschönen Augen und sie hatte ein bezauberndes Lächeln im Gesicht. Ihr Name ist Anna Klein und sie wohnt in einem kleinen Ort in der Nähe von Salzgitter. Das circa 60-minütige Kundengespräch viel mir unheimlich schwer, weil ich mich, wegen ihrer schönen Augen, nicht auf den Vertragsabschluss konzentrieren konnte. So ein schlechtes Verkaufsgespräch ist mir lange nicht passiert, denn das Ablenkungspotential war riesengroß. Wenn ich die Angelegenheit richtig überblickte, dann war auch Anna nicht so ganz bei der Sache, da sie mich immer wieder anlächelte. Weil wir, vertragstechnisch betrachtet, nicht zu Potte kamen, haben wir einen neuen Termin im Januar vereinbart. Ich freue mich schon jetzt ganz dolle darauf, sie endlich bald wiederzusehen!
Samstag, 23.Dezember 1978:
Es ist gleich Mitternacht. Peter liegt schon im Bett und schläft. Er ist ganz aufgeregt wegen der morgigen Bescherung. Mein Sohn erzählte mir, dass er seit einiger Zeit, mehrmals wöchentlich, mit Ingelore-Irmgard telefoniert. Auf meine Nachfrage hin, was es denn soviel zu erzählen gibt, reagierte er, für seine Verhältnisse auffällig zurückhaltend und verstört. Ich habe es erst mal so hingenommen und nicht weiter nachgefragt.
Inge sitzt im Wohnzimmer und findet mal wieder kein Ende mit ihrer Biertrinkerei. Ich realisiere zunehmend, dass mich die ganzen Umstände mit ihr immer stärker anwidern. Auch wenn sie es einige Tage in der Woche schafft ohne Alkohol auszukommen, so kann man fast die Uhr danach stellen, wann sie wieder zur Flasche greift. Was mich am meisten stört ist ihr völlig unberechenbares Verhalten im Rausch. Ich kann mir nie sicher sein, was in der nächsten Minute geschieht. Nichts ist wirklich planbar und jede Hoffnung, dass Inge endlich mal ihr Alkoholproblem einsieht, wird mit dem nächsten Vollrausch wieder zunichte gemacht. Ein zentraler Punkt meiner Ablehnung ihr gegenüber ist ihr jähzorniges Verhalten. Sie ist kaum noch lustig oder gesellig, meistens lässt sie ihre Unzufriedenheit (mit sich selbst) an mir aus. Auch wenn ich versuche, so wie jetzt, aus einer Situation zu flüchten, dann hilft das wenig, da sie mich penetrant in den Räumen aufsucht und in negative Gespräche verwickeln möchte. Überall stehen stinkende, leere Flaschen herum und auch sie riecht nicht selten nach einer Brauerei, wenn sie meckernd ins Bett kommt. Was soll das? Glaubt meine Frau wirklich, dass ich bis ans Ende meiner Tage in diesen Zuständen weiterleben möchte? Ich mache mir zunehmend Gedanken darüber, ob ich das alles in dieser Art und Weise noch lange ertragen kann. Mir geht es gesundheitlich immer schlechter, denn ich habe ein großes Schlafdefizit aufgebaut. Ihr negatives Verhalten im Suff macht mich mürbe.
Gleich versuche ich zu schlafen und ich hoffe, insbesondere für Peter, die Nacht bleibt halbwegs ruhig. Es wäre allen geholfen, wenn Inge auf dem Sofa einschläft, damit sie morgen früh aus der Wäsche gucken kann.
Montag, 25.Dezember 1978:
Es ist 12.00 Uhr.
Peter spielt im Gästezimmer mit seiner Eisenbahn, die er von uns geschenkt bekam. Inge liegt, wie nicht anders zu erwarten, noch immer im Bett, denn sie war sowohl in der Nacht zum 24.12. als auch der Nacht zu heute, nicht vor 04.00 Uhr eingeschlafen. Meistens pennt sie dann, so wie heute, bis in die Puppen und man muss vormittags leise durch die Wohnung tänzeln, um ihren heiligen Schlaf nicht zu stören. Ich sitze jetzt im Wohnzimmer auf dem Sofa und verfasse diesen Tagebucheintrag.
Inge regte sich gestern über Peter´s Vorfreude auf. Seit dem Mittagessen fragte mein Sohn unentwegt nach, wann die Bescherung endlich losgeht. Mir war klar, dass Inge diese Fragerei nicht lange erträgt. Meine Erklärungsversuche an Peter blieben leider erfolglos. Ich machte ihm deutlich, dass wir uns zuerst dem Weihnachtsessen widmen, bevor die Geschenke verteilt werden. Wie das bei Kindern aber so ist, zappelte er beim Abendessen aufgeregt am Tisch herum. Ganz allgemein betrachtet, reagiert Inge meistens vollkommen überzogen auf banale Dinge, auch was Peter betrifft. Ich kann erwachsene Menschen nicht verstehen, die vergessen haben, dass sie selbst mal Kinder waren. Inge plärrte dann gestern mehrmals herum, was Peter zu verunsichern schien. Mein Sohn tat mir wirklich sehr leid, weil er sich so sehr auf das gemeinsame Weihnachtsfest mit uns freute.
Zum Essen entkorkte Inge geschwind eine Flasche Rotwein. Ich trank ein Glas, sie den Rest. Nach der Bescherung klingelte Johanna, sie brachte eine Flasche Weißwein mit. Während ich mit Peter die Eisenbahn aufbaute, amüsierten sich die beiden Damen munter im Wohnzimmer und hörten nebenbei Radio. Als die Bahn durch´s Zimmer rollte, musste ich an Anna denken. Ist sie allein Zuhause? Hat sie Kinder und einen Mann? Ich freute mich erneut auf unseren bald stattfindenden Termin. Ich brachte Peter gegen 23.00 Uhr ins Bett und trank mit Inge und Johanna noch ein Bier, bevor ich mich ins Schlafzimmer verabschiedete. Johanna fuhr gegen 01.00 Uhr mit dem Taxi nach Hause, so wie ich das im Halbschlaf mitbekam. Inge saß noch auf dem Sofa und hörte Musik. Irgendwann torkelte sie gegen 04.00 Uhr ins Bett, wie schon geschrieben.
Das war also der Heilige Abend 1978? Diesen ganz besonderen Tag im Jahr stellte ich mir festlicher und harmonischer vor und nicht so abgedroschen.
Es wäre schön, wenn sich Inge bald aus dem Bett erheben würde, damit wir mit Peter noch Schlittenfahren können, so wie wir ihm das zugesagt hatten. Eigentlich sollte sie wissen, dass es im Winter zeitig dunkel wird und bei ihr bekanntlich eine gewisse Zeit dauert, bis sie in die Strümpfe kommt.
Donnerstag, 28.Dezember 1978:
Peter ist seit heute wieder bei Clara.
Inge sitzt wieder besoffen auf dem Balkon, trotz großer Minustemperaturen. Ich gehe gleich ins Bett, denn ich habe mal wieder die Schnauze gestrichen voll.
Dieses Weihnachten 1978 ähnelte dem der Vorjahre 1976-1977:
Essen - Geschenke - Saufen -zwischendurch Meckern - ins Bett gehen.
Das ist ein Einfältigkeit und Flachheit kaum zu überbieten! Kein Kirchgang, keine Weihnachtslieder, Hauptsache das Geschenkpapier wird aufgerissen und dann ab zum Wein. An diesem Weihnachten haben wir mit Peter kaum etwas unternommen, sogar zur Rodelverabredung kam sie zu spät aus dem Bett. Wenn das mit Inge so weiter geht, dann wird es mit ihr kein gemeinsames Weihnachten 1979 mehr geben!
Wie hat Anna wohl Weihnachten gefeiert? Denkt sie auch so oft an mich, wie ich an sie? Oh Anna, ich kann unseren Bausparvertragstermin kaum abwarten!
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Bisher handelnde Personen:
Bernd Protaschke: Versicherungsverkäufer
Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
Johanna: Freundin von Inge
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Anna Klein: Bernd´s neue Liebe
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
von
Pascale Anhalt
-Teil 13 -
Anna Klein
Dienstag, 02.Januar 1979:
Gleich 16.00 Uhr. Inge liegt auf dem Sofa und schläft. Sie ruht sich noch von der Silvesternacht aus, die mal wieder völlig aus dem Ruder lief.
Wir feierten beim Jugoslawen "Balkan-Nächte" um die Ecke. Eintritt 100 DM pro Person inkl. Buffet, Bier, Wein, Sekt, Cola oder Ähnliches. Wir waren pünktlich zum Einlass um 19.00 Uhr dort, auch Johanna und andere Bekannte aus der Nachbarschaft feierten mit uns. Ich trank 7-8 Biere (0,3 l), 2-3 Gläser Wein und 2 Gläser Sekt. Ich hatte gut einem im Tee, war aber noch Herr meiner Sinne, konnte laufen und noch halbwegs klar sprechen. Bei Inge habe ich nach 10 Bieren aufgehört zu zählen. Sie trank auch deutlich mehr Wein und zum Ende hin floss auch Schnaps (auf eigene Kosten, also meine).
Es ist wirklich traurig, dass ich mir das Zählen alkoholischer Getränke angewöhnt habe. Als ob das irgendetwas bewirken würde. Das Zählen verschafft mir nur eine Übersicht über die Menge der Getränke, zu einer Kontrolle über Inge´s Verhalten führt das leider nicht. Der Abend verlief bis Mitternacht ausgelassen und fröhlich. Um circa 01.00 Uhr kippte Inge´s Stimmung, denn sie war beleidigt darüber, weil ich sie (als ihren Ehemann) darauf aufmerksam machte, dass ich es nicht schön finde, wenn sie sich heimlich mit anderen Männern Telefonnummern austauscht und ihnen beim Tanzen an den Hintern fasst. Ich empfinde es auch als eine Demütigung, wenn Inge beim Tanzen mit anderen Männern irgendwann an ihren Hälsen herumriecht. Sie kann gern mit anderen Menschen tanzen, aber irgendwann sind für mich auch Grenzen erreicht. Inge saß bis circa 05.00 Uhr (dann rief der Wirt die letzte Runde aus) beleidigt am Tisch und unterschielt sich mit Johanna, die zu vermitteln versuchte. Die 250 Meter Heimweg dauerten fast eine Stunde, denn Inge setzte sich immer wieder trotzig auf den Bürgersteig, mal abgesehen davon, dass sie kaum laufen konnte. Ich reichte ihr so oft die Hand, weil ich sie sicher nach Hause bringen wollte. Irgendwann kamen wir in der Wohnung an, die Stimmung war tief im Keller. Inge nahm sich ein Bier, hörte im Wohnzimmer noch etwas Radio, bevor sie auf dem Sofa einschlief. Ich ging sofort ins Bett, Inge legte sich irgendwann am frühen Vormittag dazu.
Wir standen gestern gegen 15.00 Uhr auf, schoben 2 Pizzen in den Ofen und unterschielten uns so miteinander, als ob es keine Vorfälle gab. Abends rief ich Peter an, um ihn ein "Frohes Neues Jahr" zu wünschen. Mein Sohn freute sich zwar über meinen Anruf, er sprach aber wieder so "verstörend" und zurückhaltend. Kurz zuvor, so seine Aussage, telefonierte er wieder lange mit Ingelore-Irmgard.
Am Donnerstag endet mein Urlaub, dann bin ich wieder im Büro und treffe endlich Anna um 13.00 Uhr zum Bauspartermin. Ich bin ganz hibbelig und aufgeregt, habe während der letzten Zeit viel an sie gedacht. War ihr bezauberndes Lächeln nur eine freundliche Geste oder findet sie mich tatsächlich attraktiv?
Donnerstag, 04.Januar 1979:
Es ist gleich 22.00 Uhr. Nach diesem Eintrag verabschiede ich mich ins Bett. Inge sitzt im Wohnzimmer und telefoniert mit Johanna. Ich kann nur hoffen, dass Inge mein Tagebuch nicht in die Finger bekommt und durchliest. Bisher hat sie kein Interesse an meinen Tagebuch gehabt und ich hoffe, dass dies auch so bleibt. Es ist gut, dass das Tagebuch ein kleines Schloss hat.
Heute war der Bürotermin mit Anna. Nervös wie ein kleines Kind, das an seinem Kindergeburtstag ungeduldig aus dem Fenster schaut und darauf wartet, wann der erste Freund an der Türe klingelt, wartete ich auf Anna. Den vorherigen Kunden zwischen 11.00 Uhr und 12.00 Uhr "drängte" ich quasi verbal aus dem Büro, weil ich, vor dem Termin mit Anna, noch einmal in den Spiegel schauen wollte, ob mein Scheitel gut sitzt.
Auf einmal öffnete sich meine Bürotür und Anna trat in den Raum. Ich hatte meinen Kollegen angewiesen, sie gleich, ohne Aufenthalt im Wartebereich, zu mir durchzulassen. Sie strahlte mich gleich viel intensiver als bei unseren letzten Treffen an. Nachdem wir uns ein "frohes neues Jahr" wünschten, begann ich mit dem Verkaufsgespräch. Am Ende stellte sich heraus, dass Anna doch keinen Bausparvertrag abschließen wollte. Sie fragte mich, ob wir nicht mal einen Kaffee zusammen trinken gehen könnten. Anna sah zwar den Ring an meiner Hand, er schien dieses wunderbare Geschöpf jedoch nicht davon abzuhalten, mich auf ein weiteres Treffen anzusprechen. Sie gab mir ihre Telefonnummer und nannte mir Zeiten, an denen sie gut erreichbar sei.
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Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 14 -
Die Abkehr
Donnerstag, 01.Februar 1979:
Gestern rief ich Anna bereits zum 3. Mal aus einer Telefonzelle vor dem Hauptbahnhof an, die nicht so stark frequentiert ist. Wir telefonierten gleich nach Feierabend, damit Inge nichts mitbekommt. Anna arbeitet nur halbtags, daher ist sie meistens relativ früh Zuhause.
Es ist einfach nur wunderbar ihre Stimme zu hören. Wir sprachen circa 20 Minuten miteinander. Ich musste einige Male ein paar Groschen nachwerfen. Für mich ist es 100 Mal schöner Geldstücke in den Münzapparat einzuwerfen, um für viele Minuten diese erotische Stimme von Anna zu genießen als auch nur eine Sekunde kostenlos das abendliche Gelalle von Inge zu ertragen.
Wir tauschten uns auch darüber aus, wie wir uns heimlich treffen könnten ohne das Inge Wind von der Sache bekommt. Ihr Wohnort Salzgitter liegt zwar nicht aus der Welt, er ist aber auch nicht gerade 5 Minuten um die Ecke. Mein Vater hatte in seiner oft ironischen Art zu mir gesagt: "Wo ein Wille ist, da ist auch ein Gebüsch!" Anna und ich planen uns zeitnah in irgendeinem Restaurant zu treffen. Zeitlich ist sie viel flexibler als ich. Für Inge muss ich mir nur noch einen Vorwand ausdenken, um meine Abwesenheit schlüssig zu erklären.
Samstag, 03.Februar 1979:
Es ist gleich 17.00 Uhr, Inge liegt noch im Bett.
Gestern lud ich Inge und Johanna zum Jugoslawen ein. Ich verputzte einen großen Grillteller und gönnte mir eine gute Flasche Rotwein. Die beiden Damen wunderten sich schon, warum ich so gut drauf bin.
An diesem Abend war mir danach, mein "neues" Leben zu feiern. Ein Leben, das kein Trübsal mehr kennt. Ein Leben voller Freude, Hoffnung und Zuversicht. Ich war mit mir im Reinen und erfreute mich an der Schönheit des Abends, trotz der Anwesenheit von Inge und Johanna. Die beiden Damen störten mich nicht. Ob sie mit mir am Tisch saßen oder ob in Braunschweig eine Lampe umkippte, das war mir einerlei. Tief im Innersten war ich mit mir allein und genoss meine Gedanken, in denen ich mit Anna durch mein neues Leben tanzte. Das stumpfe Gelabere der beiden Damen, die, wie ich, stark angetrunken waren, endete, als der Wirt um 01.00 Uhr die letzte Runde einläutete.
Johanna fuhr dann mit dem Taxi nach Hause. Inge und ich torkelten, Hand in Hand und schwer vom Rotwein gezeichnet, die kurze Strecke bis in die Wohnung. Ich öffnete uns noch ein Bier und es dauerte keine 10 Minuten, bis sich Inge mit mir über den gestrigen Abwasch zanken wollte. Nach dem Bier verabschiedete mich ins Bett, wohin sie mich verfolgte um weiter zu zanken. Da ich auf Wolke 7 schwebe, konnten mich, zumindest an diesem Abend, ihre erniedrigenden Worte nicht erreichen. Mehrmals lief Inge zwischen dem Wohnzimmer und Schlafzimmer hin und her, suchte mich immer wieder auf und versetzte mich mit üblen Worten in Panik. Ich solle sofort meine Sachen packen und gehen, schwadronierte sie, denn ich interessierte mich ja angeblich nicht für den Haushalt. Irgendwann wurde es ruhig, denn sie schlief auf dem Sofa ein und kam morgens um 10.00 Uhr ins Bett.
Wie meine Zukunft genau aussehen soll, das ist mir bis jetzt unklar, aber sie soll, wenn irgendwie möglich, mit Anna und ohne Inge stattfinden. Wie und wann ich aus meinem jetzigen Leben hinaus komme, steht in den Sternen. Ich suche den richtigen Weg und den geeigneten Augenblick. In Salzgitter wartet eine Frau auf mich, die sich auf mich freut.
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Bisher handelnde Personen:
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Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
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Pascale Anhalt
-Teil 15 -
Das Treffen
Freitag, 23.Februar 1979:
Inge sitzt besoffen auf dem Balkon, und das bei -5 Grad. Irgendein Kunde hat sie, heute vor dem Feierabend, an der Kasse gestresst und ich darf nun ihr versoffenes Verhalten ertragen.
Morgen Nachmittag treffe ich mich zum ersten Mal mit Anna, und zwar heimlich. Wir haben unsere Verabredung mehrfach durchgesprochen. Sie kommt mit dem Zug von Salzgitter nach Hannover, wir wollen dann eine Pizzeria in der Nähe des Hauptbahnhofes aufsuchen. Ich habe schon einen Tisch zu 16.30 Uhr reserviert.
"Offiziell" treffe ich mich mit einem ehemaligen Schulkameraden, den ich zufällig auf der Straße getroffen habe, auf ein Bier. Inge scheint die Geschichte zu glauben, was mich sehr freut. Sie verabredete sich für morgen mit Johanna beim Jugoslawen. Eigentlich Lüge ich ungern, aber für mein neues Leben mit Anna mache ich eine Ausnahme.
Gleich lege ich mich ins Bett, denn ich möchte morgen nicht müde durch die Gegend tingeln.
Sonntag, 25.Februar 1979:
Anna und ich trafen uns gestern pünktlich um 16.00 Uhr am Hauptbahnhof Hannover. Zur Begrüßung gab sie mir einen sanften Kuss auf den Mund. Das hatten wir so verabredet, damit die natürliche Hemmschwelle zwischen uns sofort fällt. Ich hielt ihre Hand und nahm sie kurz in die Arme, bevor wir zum Restaurant schlenderten.
Anna bestellte für uns eine gute Flasche Rotwein, die wir zum Essen tranken. Sie erzählte ein bisschen aus ihrem vergangenem Leben und beschrieb ihren Alltag. Vor und nach dem Essen hielten wir fast durchgängig unsere Hände. Ihre wunderschönen Augen strahlten mich den ganzen Abend mit warmen Blicken an. Anna fragte mich gezielt nach meiner Frau. Ich erzählte ihr von meiner schweren Ehe mit Inge und das ich diese Zustände nicht mehr aushalte.
Nach 6 herrlichen Stunden mit Ihr, die wie im Fluge vergingen, nahte der Abschied für unseren gestrigen Abend, denn Anna wollte ihren letzten Zug nicht verpassen. Ich bezahlte die Rechnung und brachte sie zum Gleis. Wir umarmten und küssten uns, bis der Zug in den Bahnhof einfuhr. Kurz vor dem Einstieg bedankte sie sich für den schönen Abend und sagte mir, wann ich am Montag anrufen könnte.
Ich kam um circa 00.00 Uhr Zuhause an und trank im Wohnzimmer noch eine Flasche Bier. Inge war noch nicht da. Ich legte mich dann irgendwann ins Bett. Meine Frau polterte gegen 04.00 in die Wohnung, zog sich komplett aus und legte sich ins Bett. Sie roch nach Schnaps und fummelte gleich an mir herum. Da ich mir mein neues Leben nicht anmerken lassen wollte und keinen Zank herbeisehnte, schlief ich mit Inge und dachte dabei an Anna. Als wir fertig waren, schlief sie gleich ein. Ich lag noch eine Weile wach, schaute aus dem Fenster und erinnerte mich an den schönen Abend, den ich mit einer sympathischen Frau verbringen konnte.
Der heutige Tag verschlief unspektakulär. Haushalt, Sofa und Fernsehen. Gleich ist es 22.00 Uhr, morgen wieder ins Büro und nach der Arbeit rufe ich meine Anna an.
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Pascale Anhalt
-Teil 16 -
Zwänge
Montag, 12.März 1979:
Anna küsst sehr gut. Das zweite Treffen mit ihr (gestern Nachmittag im Zoo) war sehr schön. Da Inge mit einer Grippe und Fieber im Bett liegt, war es für mich ein Kinderspiel, unter dem Vorwand "spazieren zu gehen", mich für ein paar Stunden aus der Wohnung zu mogeln.
Wir schlenderten Hand in Hand die langen Wege zwischen den Tiergehegen entlang und tranken im Zoo-Restaurant einen Kaffee. Wir genossen, wenn auch nur für wenige Stunden, den Moment, den Sonnenschein und unsere Zweisamkeit. Angesprochen auf etwaige Zukunftspläne, blieb Anna vage, schwammig und ungenau. Da ich die schönen und leichten Momente nicht unnötig überladen möchte, lege ich das Thema "gemeinsame Zukunft" wieder zu den Akten. Sicherlich brauchen wir noch einige Begegnungen, um uns besser kennenzulernen. Anna fragte mich, ob es möglich wäre, unser nächstes Treffen in einem Hotel mit Übernachtung stattfinden zu lassen. Ich "bejahte", auch wenn wir beide uns darüber im Klaren sind, das ich mir einen gehörigen "Vorwand" für Inge ausdenken muss, der eine Übernachtung rechtfertigt. Ich brachte sie gegen 18.00 Uhr zum Bahnhof ans Gleis und nach einem innigen Kuss stieg sie in den Zug nach Salzgitter ein. Ich rufe sie in den kommenden Tagen wieder an.
Als ich nach Hause kam, kochte ich Inge eine Tasse Tee und brachte sie ihr ins Wohnzimmer, dort wo sie für ein paar Tage das "Lazarett" aufgeschlagen hat. Sie schlief am frühen Abend vor dem TV ein.
Dienstag, 13.März 1979:
Wenn Inge krank ist, dann trinkt sie nicht und wenn sie nicht trinkt, dann ist Ruhe in der Wohnung. Ich brauche in meinen Leben Stabilität und eine gewisse Struktur. In dieser Ehe habe ich alles andere als Stabilität, denn viele auftretende Situationen geraten oft außer Kontrolle, wenn Inge einen in der Lampe hat. Ihr Verhalten ist dann unberechenbar. Während der letzten Monate hatte mir Inge einige Male mitten in der Nacht gesagt, ich solle sofort die Wohnung verlassen und gehen. Die Begrüngen sind belanglos, meistens weil ich mich angeblich nicht so um den Haushalt kümmere, wie es die Fürstin vorstellt. Den Schlüssel sollte ich natürlich auch gleich abgeben. So eine aus den Fugen geratene Ehe möchte ich dauerhaft nicht weiterführen. Ich habe schon Angstzustände, wenn Inge eine Pulle Bier am Hals hat.
Seit Wochen denke ich, wenn Inge und ich Sex haben, an Anna. Es wird höchste Zeit, dass ich mit Anna Sex habe und Inge aufs Abstellgleis schiebe. So respektlos und widerlich, wie sie sich mir gegenüber verhält, so völlig undankbar, obwohl ich so viel Gutes für sie getan habe, das halte ich dauerhaft nicht mehr aus.
Im Grunde bemitleide ich Inge nur noch. Und mein Mitleid ihr gegenüber ist auch der Grund, weshalb ich, nach einer Sauferei am nächsten Tag, ihr jämmerliches Verhalten schweigend entschuldige. Natürlich spielt auch mein Selbsterhaltungstrieb eine Rolle, denn ich möchte eine ruhige Ehe führen und nicht auf der Straße laden.
Doch wo soll ich hin, wenn sie mich mal wieder aus nichtigen Gründen aus der Wohnung werfen will? Schon allein der Gedanke zeigt mir, dass ich mich bei ihr nicht mehr sicher fühlen kann und ich sie inzwischen nur noch abstoßend finde.
Und wer weiß, wie schnell sich mit Anna eine langfristige Beziehung aufbauen lässt? Möchte sie mit mir zusammen ziehen oder bleibt sie in ihren gewohnten Strukturen? Inzwischen bin ich über jeden Tag froh, an dem ich nicht aus der Wohnung fliege. Auf der anderen Seite genieße ich jede Sekunde mit Anna und hoffe, dass wir bald im Bett eines Hotelzimmers landen werden, damit ich sie gehörig verwöhnen kann.
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-Teil 17 -
Im Hotel mit Anna
Sonntag, 25.März 1979:
Freitagabend war es endlich soweit, ich traf Anna im Hotel "Zur alten Dorfmühle" am Stadtrand von Hannover.
Da Inge dieses Wochenende (bis Montag) ihre Mutter in Neu-Ulm besucht, bot sich ein Treffen mit Anna an, denn ich brauchte mir keine Ausrede mehr einfallen zu lassen. Inge saß nur bis 15.00 Uhr an der Kasse und nahm den Zug um 17.12 Uhr vom Hauptbahnhof zu ihrer Mutter. Ich brachte sie mit dem Auto dorthin, verabschiedete sie und wartete auf Anna, die um 18.00 Uhr mit dem Zug aus Salzgitter kam. Passender ging es nicht. Die eine Frau fuhr weg, die andere Frau kam.
Nach einem innigen Begrüßungskuss stiegen wir ins Auto und fuhren an den Stadtrand ins kleine Hotel "Zur alten Dorfmühle", das Anna für aussuchte. Nach dem "Check in" aßen wir im Hotel-Restaurant unser Abendessen, tranken dabei ein Glas Wein und gingen hinauf auf unserer Zimmer. Nach dem Duschen ging es gleich zur Sache. Nach 10 Minuten schrie Anna vor Wollust das halbe Hotel zusammen, ich war wenige Minuten danach an der Reihe. Wir lagen bis tief in die Nacht Arm in Arm im Bett und unterhielten uns über Gott und die Welt. Vor dem Frühstück besorgte ich es Anna noch einmal gehörig. Nach dem Essen brachte ich Anna zum Hauptbahnhof, weil sie mittags wieder Zuhause sein wollte. Das nächste Telefonat verabredeten wir für Dienstag, gleich nach Feierabend.
Ich fuhr anschließend nach Hause und ruhte mich aus. Inge rief mich gestern Nachmittag an und fragte mich nervös, warum ich Freitagabend nicht mehr ans Telefon ging, als sie mich offenbar anrief, um mir mitzuteilen, dass sie angekommen sei. Ich sagte ihr trocken in den Hörer, dass ich vor dem Fernseher eingeschlafen war. Ich bestätigte ihr nochmal, dass ich sie Montagnachmittag vom Hauptbahnhof abholen werde. Den gestrigen Samstag regnete es ausgiebig und ich beschloss Zuhause zu bleiben.
Das heutige Wetter war sonnig und lud mich quasi zu einem Spaziergang am Steinhuder Meer ein. Ich stieg nach dem Frühstück ins Auto und kam nach 40 Minuten dort an. Ich lief einen großen Abschnitt am Wasser entlang, setzte mich in ein kleines Strand-Restaurant und trank ein Kännchen Kaffee.
Meine Gedanken kreisten permanent um Anna und die Überlegung darüber, wie ich Inge verlassen könnte. Nutze ich dann auch die Gunst der Stunde und ziehe in Richtung Stuttgart, dort wo Peter wohnt? Was wäre dann mit der Beziehung zu Anna? Die Entfernung zwischen Salzgitter und Stuttgart ist enorm. Zöge sie überhaupt mit mir zusammen, um ein neues Leben zu beginnen oder möchte sie lieber ihr bisheriges Leben weiterführen? Leider weicht Anna immer aus, wenn es um konkrete, gemeinsame Zukunftsideen geht. Das Thema ist ihr merklich unangenehm. Irgendwie hängt aber alles miteinander zusammen. Beruflich bräuchte ich mir keine Sorgen zu machen, denn unsere Kanzleien sind bundesweit gut vertreten. Eine neue Stelle ließe sich in Stuttgart gewiss finden. Was kostete mich eine Scheidung?
Nach dem ich noch eine Weile am Wasser herumschlenderte, fuhr ich gegen 17.00 Uhr wieder nach Hause, denn ich muss morgen ins Büro und danach Inge abholen.
Gleich ist Schlafenzeit. Die Nacht ohne Inge wird auf jeden Fall ruhig und erholsam.
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-Teil 18-
Erste Planungen
Mittwoch, 04. April 1979:
Seit Tagen spiele ich gedanklich einige Szenarien durch, wie ich Inge im Guten verlassen kann. Ich bin mir weder über den richtigen Zeitpunkt sicher noch weiß ich, wie ich die Trennung konkret umsetzen kann. Sicher ist nur, dass ich diese Umstände nicht mehr lange aushalte. Leider kann ich mit Inge nicht offen reden, weil sie mich dann sofort vor die Türe setzt. Aus diesem Grund muss ich meine gesamte Planung, bis zum Tag X, heimlich vorbereiten.
Ich werde die Trennung von Inge unabhängig davon vollziehen, ob Anna mit mir ein neues Leben beginnen möchte oder nicht. Mit Anna habe ich während der letzten Wochen so viele Zärtlichkeiten ausgetauscht, seien es sanfte Küsse oder innige Streicheleien, wie mit Inge die ganzen letzten Monate nicht. Von Inge habe ich mich innerlich tausende Kilometer entfernt und ich vermute, sie sich auch von mir. Ich möchte die Gunst der Stunde nutzen, um örtlich näher bei Peter zu wohnen. Diese langen Fahrtwege zwischen Hannover und Stuttgart erlauben keine spontanen Besuche. Mir geht so viel seiner Kindheit verloren. Diese schöne Zeit, meinen Sohn aufwachsen zu sehen, kommt nie mehr zurück.
Notizen:
- Termin bei einem Anwalt organisieren, um die langfristigen Kosten einer Scheidung errechnen zu lassen.
- Wohnungssuche: Beauftragung eines Wohnungsmaklers oder einer anderen Person in Stuttgart, wenn der Zeitpunkt der Trennung feststeht.
- Arbeitssuche: Interne Erkundigungen einholen, ob im Raum Stuttgart eine Stelle als Versicherungskaufmann frei wird.
- Anna an meinen konkreten Plänen teilhaben lassen.
Freitag, 27. April 1979:
Der gestrige Termin beim Rechtsanwalt erweckt in mir große Zuversicht. Parallel zum Kindesunterhalt, den ich an Clara bezahle, könnte ich mir auch eine Scheidung leisten, sollte Inge auf Ehe-Unterhalt bestehen. Zwar müsste ich dann deutlich sparsamer leben und mein Auto verkaufen, aber das ist es mir wert.
Ein Makler stünde bereit, um mir eine Wohnung im Raum Stuttgart zu suchen. Er braucht nur ein Startdatum für die Wohnungssuche. Ich gab ihm die Telefonnummer von meinem Büroanschluss. Zöge ich nach Stuttgart, dann bräuchte ich auch kein Auto mehr, um Peter zu sehen oder zur Arbeit zu fahren.
Ich habe mit Anna mehrfach über meine Gedankenspiele gesprochen, zuletzt am Dienstag bei einer Tasse Kaffee am Hauptbahnhof, wo wir uns kurz trafen. Anna wirkt nicht so, als würde sie mit mir ein gemeinsames Leben beginnen wollen. Dennoch unterstützt sie mich in meinen Plänen nach Stuttgart zu ziehen, zumindest mental. Sie käme mich dann gelegentlich besuchen oder wir träfen uns an einigen Wochenenden in Hotels zwischen Salzgitter und Stuttgart, so ihre Vorschläge. Leider bleibt Anna in all ihren Aussagen, die sie über ihr Leben in Salzgitter von sich gibt, weiterhin meistens schwammig.
Möglicherweise könnte in einer der drei Filialen in Stuttgart eine Stelle im letzten Quartal 1979 frei werden, wie ich telefonisch erfuhr. Eine offizielle Bewerbung mit Referenzen sende ich in den kommenden Tagen ab.
Priorität 1 hat die Arbeitssuche in Stuttgart. Bis zum Abschluss eines Mietvertrages könnte ich zur Not für ein paar Wochen in einer Pension wohnen, sollte es zeitliche Überschneidungen geben. Wichtig ist, dass Inge von meinem Plan nichts mitbekommt, weil ich nicht weiß, wie sie reagiert. Ich setze sie erst dann in Kenntnis, wenn ich die Zusage für eine neue Arbeitsstelle und einen Mietvertrag unterschrieben habe. Dies wird höchstwahrscheinlich noch einige Monate dauern, sodass ich noch viele unschöne Nächte ertragen muss.
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Auszüge aus dem Tagebuch
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-Teil 19-
Gemeinsamer
Sommerurlab mit Peter?
Montag, 07. Mai 1979:
Meine Bewerbung ist abgesendet. Die Antwort darauf wird vermutlich eine Weile dauern, wie mir mein Kollege mitgeteilte. Erst dann, wenn es positive Signale gibt, kontaktiere ich den Wohnungsmakler.
Peter hat mir gestern am Telefon ganz Stolz von seinen guten Noten in Mathematik und Sachkunde berichtet und auch Clara ist mit seinen Schulnoten zufrieden, wie sie mir mitteilte. Weiterhin fragte mich Peter, ob er mit Inge und mir in den Sommerferien für ein paar Tage verreisen könnte. Am besten irgendwo in den Süden, dort wo es warm ist. Ich erzählte ihm, dass ich seine Idee noch mit seiner Mutter und Inge besprechen müsste.
Ich erzählte Inge abends vor dem TV von Peter´s Urlaubswünschen. Sie reagierte wenig begeistert, aber nicht ablehnend.
Notizen:
- Mit Clara Peter´s Urlaubswunsch besprechen.
- Zeitraum der Reise und die Übergabe von Peter klären.
- Gemeinsamen Urlaubsantrag von Inge und mir abstimmen.
- Urlaubsort und finanzielles Budget mit Inge besprechen.
- Erkundigungen im Reisebüro einholen.
Donnerstag, 11. Mai 1979:
Leider ist die Gesamtsituation mit Inge nur noch schwer zu ertragen. Es gibt Tage, an denen sie sich vernünftig verhält, dann gibt es Tage, an denen sie unberechenbar ist. Ich möchte ein ganz normales, ruhiges und halbwegs sicheres Leben führen. Inge´s dominante Äußerungen, die sie in gewissen Situationen von sich gibt, lösen in mir massive Angstzustände aus. So unverschämt und herabwürdigend, wie sich sich mir gegenüber immer öfter verhält, so verhält man sich nicht gegenüber einem Menschen, den man angeblich liebt. Ich fühle mich seit vielen Monaten als ein "Fußabtreter" ihrer eigenen, persönlichen Probleme, die sie versucht zu meinen zu machen.
Leider bekommt auch Peter immer mehr unschöner Situationen mit. Davor möchte ich ihn schützen, denn er soll eine möglichst unbeschwerte Kindheit erleben. Im Grunde mögen sich Inge und Peter, worüber ich mich freue. Das Problem besteht nur darin, dass sich Inge leider unkontrolliert verhält, wenn sie einen in der Lampe hat, was nicht selten vorkommt. Ihre Hemmschwelle, ihrem Umfeld unschöne Dinge zu sagen, ist sehr stark gesunken.
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Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
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Pascale Anhalt
-Teil 20-
Always the same
Montag, 28. Mai 1979:
Der gemeinsame Sommerurlaub mit Inge & Peter ist nun final im Reisebüro gebucht. Sämtliche Klärungen mit Clara haben gut funktioniert. Unsere Urlaubsanträge wurden auch zügig bearbeitet, was unsere Reiseplanung extrem beschleunigte. Wir fahren im August mit dem Auto nach Italien (Viareggio / Toskana) ans Mittelmeer. Peter holen wir auf dem Weg in Stuttgart ab. Ich freue mich sehr darauf, mit Peter Sandburgen am Meer zu bauen. In den kommende Wochen kaufen wir noch einige Dinge für die Reise ein (Sonnencreme, Luftmatratze, Strandspielzeug usw.)
Anna und ich telefonieren immer noch heimlich über die Telefonzelle. Es ist mir zu riskant, wenn ich mit ihr über unseren Hausanschluss sprechen würde. Ich habe sie Freitag über den gemeinsamen Urlaub mit Inge & Peter informiert. Sie hat vollstes Verständnis für meine Gesamtsituation und wünscht mir, dass ich meinen inneren Frieden finde. Wie hat sie das nur gemeint?
Ohne das wir es beim letzten Telefonat groß thematisierten, aber Anna ließ deutlich erkennen, dass sie mich eher als "Affäre" und weniger als Lebenspartner sieht. Aber das könne sich ändern, wenn die Trennung zu Inge erfolgte. Nächste Woche trifft sich Inge nachmittags mit Johanna, sodass ich ein gutes Zeitfenster habe, um mich mit Anna zu treffen. Anna sagte mir, dass sie mich bei warmen Wetter gern auch mal in einem Park mit vielen Sträuchern treffen möchte. Was sie dort mit mir vor hat, könne ich mir ja denken. In diesem Sommer käme sie etwas öfter nach Hannover, wenn es meine Zeitpläne zuließen und ich das wollte. In dieser Stadt seien genügend Möglichkeiten vorhanden, wo man als Paar mal für eine halbe Stunde hin verschwinden könnte, so Anna. Woher weiß sie das nur?
Sonntag, 03. Juni 1979:
Freitagabend lud ich Inge zu unserem Stamm-Jugoslawen "Balkan-Nächte" ein. Wir hatten beide keine große Lust zu kochen und so entschieden wir uns, spontan ins Restaurant zu gehen. Inge und ich verspeisten jeweils einen großen Grillteller. Wir unterhielten uns über den Sommerurlaub und überlegten, was wir alles mit Peter unternehmen könnten. Die positive Stimmung kippte schlagartig nach ihrem 4. Glas Wein. Inge war, wieder aus dem Nichts heraus, aufgrund einer harmlosen Bemerkung sofort beleidigt und blieb es auch für den Rest des Abends!
Eigentlich hätte ich mir das irgendwie vorher denken können. Ich sehe aber auch nicht ein, mein Leben nur Zuhause auf dem Sofa zu verbringen und zu hoffen, dass Inge Tee trinkt und friedlich bleibt. Ich möchte auch mal raus aus der Wohnung und mein Leben genießen. Mir wird jeden Tag bewusster, dass Inge dafür die falsche Partnerin ist. Warum kann man als Paar nicht einfach mal etwas trinken, den Abend genießen, nach Hause gehen und dann das Licht ausmachen? Warum findet sie immer seltener kein Ende und feiert bis in die frühen Morgenstunden?
Gegen 00.00 Uhr bezahlte ich die Rechnung und wir wollten nach Hause laufen. Ich trank den ganzen Abend 3 große Biere und 3 Gläser Wein. Ich war noch Standfest und Herr all meiner Sinne. Der Heimweg dauert ja grundsätzlich nur wenige Minuten, es sei denn, man hat eine angetrunkene Inge an der Hand. Dann können sich die wenigen Meter mal eine Stunde hinziehen, weil sich Inge permanent auf den Bürgersteig setzt und nicht helfen lässt. Der Ablauf des restlichen Abends verlief nach Drehbuch bzw. "Schema F". Ich hörte mir wieder dieselben komischen Vorhaltungen an, die sie sich seit Monaten zurechtgewebt hatte. Inge feierte mit sich allein im Wohnzimmer, ich hingegen flüchtete irgendwann ins Schlafzimmer...
It´s always the same!
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Bisher handelnde Personen:
Bernd Protaschke: Versicherungsverkäufer
Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
Johanna: Freundin von Inge
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Anna Klein: Bernd´s neue Liebe
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
von
Pascale Anhalt
-Teil 21-
Urlaubsvorfreude a.D.
Donnerstag, 28. Juni 1979:
Mein Peter ruft seit Tagen mehrmals an und fragt immer ganz aufgeregt nach, ob die Urlaubsreise auch wirklich stattfindet. In den abendlichen Telefonaten betont er jedes Mal ganz deutlich, dass er sich ganz riesig auf den gemeinsamen Urlaub mit Inge und mir freut. Mein Sohn träumt von viel Sonne und dem großen Strand; er möchte sich den Bauch mit Eiskugeln kugelrund naschen und freut sich auf die Unterkunft mit Pool. Obwohl ich Peter die Abläufe mehrfach erklärte, hat er das Bedürfnis sich unentwegt "rückzuversichern", ob die Reise nach Viareggio auch tatsächlich stattfindet. "Wenn niemand krank wird, verreisen wir!", habe ich ihm abermals gesagt.
Wenn Inge blau und zänkisch ist, was die letzten Monate in Kombination immer öfter vorkommt, setzt sich mich neuerdings mit dem Italien-Urlaub unter Druck. Sie drohte damit, den gemeinsamen Urlaub mit Peter platzen zu lassen. Zum wiederholten Male sagte sie mir, alles drehe sich seit Monaten nur noch um Peter. Peter hier, Peter da. Clara hier und Clara da. Sie fühlt sich vernachlässigt und vollkommen ignoriert. Auf meine Anmerkung hin, dass ich meinen Sohn nur einmal im Monat sehe und er eigentlich derjenige ist, der sich vernachlässigt fühlen könnte, reagiert sich sie empört. Da Inge die Angewohnheit hat, sich über einen ganzen Abend hinweg in irgendetwas hineinzusteigern, schweige ich an solchen Abenden lieber und spreche nur noch, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Ich kann es auch nicht ändern, dass Inge keine Kinder in die Welt gesetzt hat und somit keine Ahnung davon hat, wie Kinder sein können. Ist das die Grundlage für eine dauerhafte Beziehung? Wohl kaum!
Leider häufen sich Inge´s Krankmeldungen, da sie es nach 3-4 Feierabendbieren einfach nicht schafft mit dem Trinken aufzuhören und ins Bett zu kommen. Sie hört bis früh morgens auf dem Balkon oder im Wohnzimmer Schallplatten und schafft es deswegen immer seltener, morgens um 08.00 Uhr an der Kasse zu sitzen.
Leider kann sich Inge auch nicht zusammenreißen, wenn Peter anwesend ist. Darauf hat sie im Grunde noch nie Rücksicht genommen. Der Rausch hat bei ihr Vorrang. Ich habe auch das Gefühl, dass sie sich wieder mindestens einmal in der Woche mit Heinrich vergnügt. Nicht selten kommt Inge abends deutlich später nach Hause als üblich. Auf meine Nachfragen reagiert sie ausweichend. Inzwischen frage ich auch nicht mehr nach, sondern nehme es einfach so hin. Es ist mir alles egal geworden. Ich kann nur hoffen, dass der baldige Urlaub im August ohne Zwischenfälle über die Bühne geht und ich dann zeitnah eine Antwort auf meine Bewerbung erhalte.
Dienstag, 03.Juli 1979:
Heute Nachmittag habe ich mich mit Anna getroffen. Wir trafen uns relativ spontan am Hauptbahnhof und fuhren einige Stationen mit dem Bus zu einem kleinen Park. Während der Busfahrt sprachen wir nicht viel miteinander. Sie führte mich zu einer ruhigen und dicht belaubten Stelle. Anna sagte mir, dass wir es jetzt hier tun sollten. Gesagt, getan. Wir waren eine gehörige Viertelstunde zu Gange und man merkte ihr deutlich an, dass sie einen großen Reiz an der heimlichen Situation im Gebüsch verspürte. Wir machten es, wenige Meter versetzt vom Hauptweg des Parks, hinter einem Baum, der von Sträuchern umgeben ist. Die vorbeifahrenden Radfahrer und der Reiz, nicht erwischt zu werden, gaben uns den gewissen Kick. Es war ein heißer Sommertag. Wir beide kamen gehörig ins Schwitzen. Damit Inge keinen Wind von der Sache bekommt, durfte ich nicht zu spät Zuhause sein. Deswegen nahmen wir uns ein Taxi. Anna stieg am Hauptbahnhof aus und fuhr mit dem Zug nach Salzgitter. Das Taxi brachte mich weiter und ich ließ mich 100 Meter vor der Wohnungstüre absetzen. Inge war schon Zuhause und kochte das Abendessen. Es gab Salzkartoffeln mit Quark und Tomatensalat. Ich erzählte nur kurz, dass ich im Büro noch etwas zu erledigen hatte, bevor ich ins Badezimmer verschwand. Dann setzte ich mich an den von Inge gedeckten Tisch und wir begannen mit dem Essen.
Inge ist inzwischen vor dem Fernseher eingeschlafen. Ich lasse sie weiter schlafen. Es wäre ja nicht das erste Mal, dass sie wieder munter wird, wenn ich sie sanft wecke und darum bitte, ins Bett zu kommen. Ich mache gleich das Licht aus und schlafe.
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Bisher handelnde Personen:
Bernd Protaschke: Versicherungsverkäufer
Inge Protaschke: 2. Ehefrau, Kassiererin
Peter: Sohn von Bernd
Clara: 1. Ehefrau
Johanna: Freundin von Inge
Ingelore-Irmgard Schnepfenzank: Schwester von Bernd
Heinrich: Kollege von Inge
Anna Klein: Bernd´s neue Liebe
Auszüge aus dem Tagebuch
von Bernd Protaschke
von
Pascale Anhalt
-Teil 22-
Der Rotwein ruft
Donnerstag, 19. Juli 1979:
Ich habe mich gestern Nachmittag kurz mit Anna getroffen. Wir gingen wieder zur gleichen Stelle in den Park. Hinter dem Laub kamen wir wieder gehörig ins Schwitzen und es blieb auf beiden Seiten kein Auge trocken. Anna brauchte keine 10 Minuten, bis es zwischen den Blättern raschelte und sie kurz vergnügt Aufschrie. Als ich soweit war, kam gerade ein Fahrradfahrer vorbeigefahren. Er schüttelte nur mit dem Kopf und fuhr weiter. Inge hatte nichts gemerkt, weil sie angetrunken im Wohnzimmer hockte und mit Johanna telefonierte. Offenbar hatte sie dabei die Uhrzeit nicht im Sinn, denn ich kam deutlich später als üblich. Das nächste Mal treffe ich Anna noch einmal kurz vor dem Italien-Urlaub.
Inge und ich haben die meisten Utensilien für den Strandurlaub gekauft. Dinge wie z.B. Strandspielzeuge holen wir vor Ort in Italien. Im Grunde benötigt Peter ja nur eine Schippe, einen Eimer und einen Ball, damit er am Wasser spielen kann. Clara wird ihm bestimmt auch ein paar Spielzeuge mitgeben.
Morgen beginnt das letzte Papa-Wochenende vor der gemeinsamen Reise mit Inge und Peter. Es ist dann auch nochmal eine gute Gelegenheit mit Clara die letzten organisatorischen Urlaubsangelegenheiten zu besprechen. Wenn die Eisenbahn keine Verspätung hat, komme ich, so wie gewöhnlich, gegen 19.43 Uhr in Stuttgart an. Gleich packe ich die Reisetasche mit Zugfahrkarte + Hotelunterlagen + Reiseprospekt (Peter möchte einen Blick in des Prospekt werfen) ein und lege mich heute etwas früher ins Bett.
Montag, 23.Juli 1979:
Das Wochenende mit Peter war sehr schön. Wir waren im Schwimmbad und auf verschiedenen Spielplätzen. Er ist ganz aufgeregt und fragte unentwegt nach, wie der Urlaub genau abläuft. Ich zeigte im das Reiseprospekt, weil er unbedingt wissen wollte, wie die Unterkunft mit Pool aussieht. Mit Clara konnte ich kurz die zeitliche Übergabe von Peter für die Hin- und Rückfahrt besprechen. Als ich gestern Abend nach Hause kam und Inge am Abendbrotstisch von den Einzelheiten der Kindesübergabe erzählte, regte sie sich wieder auf. Irgendein Detail war ihr nicht Recht und sie steigerte sich mal wieder wunderbar in eine Belanglosigkeit hinein. Die Übergabezeit auf der Hinfahrt ist ihr zu früh. Sie wollte eigentlich etwas ausschlafen, bevor wir nach Stuttgart fahren, um Peter abzuholen. Inge verstand nicht, dass ich nicht erst am späten Abend bei Clara ankommen möchte, sondern schon nachmittags. Inzwischen ist Inge in vielen Dingen extrem kompromisslos geworden. Das wird Woche für Woche schlimmer.
Ich stelle mir mittlerweile offen die Frage, ob der gemeinsame Urlaub mit Peter und Inge eine gute Idee war. Peter ist ein Kind, steht früh auf und ist gelegentlich zappelig. Inge ist meistens bis nachts in die Puppen wach, schläft lang und mag keine Unruhe. Unsere Unterkunft in Italien ist kleiner und enger als unsere Wohnung in Hannover. Wir wohnen nicht in einer Hotelanlage; es handelt sich hierbei eher um eine Aneinanderreihung verschiedener Ferienwohnungen und -häuser mit Gemeinschaftspool (Ferienanlage). In unserer Unterkunft gibt keine gute Ausweichmöglichkeit, wenn Inge ihre Ruhe haben will. Die Voraussetzungen für einen entspannten Urlaub sind also eher ungünstig. Ich bin derjenige, der zwischen den Stühlen steht und vermittelt. Inge erwartet jedes Mal von mir, dass ich Peter ruhig stelle, wenn er zappelt. Da sie kinderlos ist und von Kindererziehung wenig Ahnung hat, versteht sie nicht, dass Peter kein Roboter ist, den man per Schalter bedienen kann. Viel Schreierei bliebe Peter und mir erspart, wenn Inge mal über die ein oder andere kindliche Verhaltensweise meines Sohnes hinwegsehen könnte und nicht gleich die beleidigte Leberwurst spielt.
Seit einigen Monaten habe ich auch das Gefühl, Peter vor Inge´s Exzesse immer mehr schützen zu wollen. Inge ist leicht reizbar, versteht in gewissen Zuständen und Situationen keinen Spaß. Peter weiß all das nicht, weil er ein Kind ist. Er merkt nur, dass Inge sich nach ein paar Gläser Wein anders verhält und launisch wird, wenn es nicht nach ihren Wünschen geht. Peter versteht aber nicht, warum sie plötzlich herumschreit. Leider war Inge nie zugänglich für Anmerkungen zu ihrem Alkoholproblem. Sie weicht dann immer aus, macht sich über die Anmerkungen lustig oder wird zänkisch. Ihr fehlt das Erkenntnisvermögen zu begreifen, dass es nicht darum geht, mal einen über den Durst zu trinken. Es geht um die Häufigkeit der Sauferei sowie ihr unflätiges Verhalten, das sie nicht merkt.
Und nun fahren wir nach Italien, in das Land der leckeren und günstigen Rotweine. Ein Paradies für Inge. Tolle Wurst.
Für mich gilt die Formel: Inge + Alkohol = verschwendete Lebenszeit
Ich hoffe, dass sich Inge im Urlaub am Riemen reißt; nicht für mich, sondern für Peter. All das kann jedoch kein Dauerzustand mehr für meinen Sohn und mich sein.
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Fortsetzung folgt!
Fortsetzung unter "Mein literarisches Projekt Teil 2"