Sie fehlt
(Auf dem Bild oben ist meine Mutter ca. 13 oder 14 Jahre jung)
Seit dem Tod meiner Mutter ist mein Leben, an verschiedenen Stellen, aus den Fugen geraten. Sie war ein Ausgleich, ein fester Anker und ein Schutzpatron in meinem Leben. WĂ€hrend ihrer letzten ca. 10 Lebensjahre wurde sie fĂŒr ihre eigene Art zu Leben und fĂŒr einige ihrer Entscheidungen massiv kritisiert. Sie erzĂ€hlte mir einige Male, dass sie diese unsachliche Kritik und die unverschĂ€mte Art und Weise, wie ihr diese ĂŒbermittelt wird, nicht mehr ertrĂ€gt. Ich konnte sie damals gut verstehen, aber ihr leider nicht helfen, weil ich selbst diese anmaĂende Kritik ertragen musste.
Wir waren Seelenverwandte, was andere neidisch machte. Wir waren beide ausgleichende und streitunlustige Menschen, was uns permanent zu einer Zielscheibe fĂŒr ein respektloses Verhalten formte. Sie schaute mich anders an, was andere missgĂŒnstig machte. Leider hat die Entfernung zwischen Spanien und Deutschland vieles nicht leichter gemacht. WĂ€hrend der Pandemie war ein Besuch leider nicht möglich (QuarantĂ€nebedingungen, ReisebeschrĂ€nkungen usw.), weshalb ich sie wĂ€hrend dieser Zeit nicht besuchen konnte (bzw. nur unter sehr erschwerten Bedingungen, die aber fĂŒr eine Woche Urlaub unverhĂ€ltnismĂ€Ăig gewesen wĂ€ren, wie QuarantĂ€ne nach Einreise).
Und am Ende ihres Lebens ĂŒberschlugen sich die Ereignisse, ich war wie gelĂ€hmt.
Leider war das Mutter-Sohn-VerhĂ€ltnis, insbesondere wĂ€hrend der letzten Jahre, von anderen Personen, die nicht selten negativ zwischen uns reinfunkten, mit beeinflusst. Ich bin auch nur ein Mensch, der Verpflichtungen hat und kein Roboter, den man auf Knopfdruck antanzen lĂ€sst und dann nach Belieben wieder fortschickt. Ich hĂ€tte einfach nicht zulassen sollen, dass man sich in die Mutter-Sohn-Beziehung, mit all ihren Höhen und Tiefen, einmischt. WorĂŒber ich mich heute Ă€rgere und was ich mir vorwerfe ist, dass ich nur RĂŒcksicht auf die Befindlichkeiten anderer Menschen genommen habe, die meine Mutter und mich dominieren wollten, um es ihnen Recht zu machen.
Ich streite niemals ab, dass ich frei von Fehlern war und bin. Ich sah jedoch nicht ein, dass ich mich permanent zurĂŒcknehmen musste und mein Wunsch, meine Mutter so an meinen Leben teilhaben zu lassen, wie ich es fĂŒr richtig hielt, vollkommen unter den Tisch fiel. Mein noch verbleibendes, kurzes Leben geht weiter und ich lasse all diese negativen Gedanken nun mit ihr ruhen. All das Geschehene und diejenigen menschliche Kontakte, die mir nicht gut tun und mir nachhaltig schaden möchten, sind nun auf ewig mit ihr im Meer versunken.
Ich hatte die Courage, mich in den letzten Lebensjahren mit ihrem Lebenspartner auszusöhnen (wir hatten einige Jahre Zwietracht), weil wir es beide als besser empfanden, die noch verbleibende Lebenszeit nicht mit Zank und Streit zu verbringen. Und es war genau der richtige Weg und ich wĂŒrde es jeder Zeit wieder tun. Es macht keinen Sinn, sein Leben mit Groll und Unmut zu verbringen. Diplomatie ist meistens der bessere Weg als stur mit dem Kopf gegen die Wand zu rennen. Menschen, die nichts besseres zu tun haben, als ihre eigene Unzufriedenheit im Leben an anderen auszulassen, tun mir aufrichtig Leid. Aber ich kann und will ihnen nicht mehr helfen oder versuchen, sie zu verstehen. Mein Leben ist zu kurz fĂŒr diesen Klamauk.
Ich, Pascale, bin in der Lage, selbstkritisch mein Leben zu reflektieren, wĂ€hrend andere Menschen selbstherrlich durch die LĂŒfte schweben und die angebliche Wahrheit "verkĂŒnden", die sie aber nicht kennen, sondern nur vermuten.
Ich fĂŒhle gelegentlich dieses "SchuldgefĂŒhl", das man oft gegenĂŒber verstorben Angehörigen hat. Warum hat man nicht nochmal angerufen? Warum war ich nicht da? Warum hat man dieses oder jenes nicht getan? Viele Menschen kennen sicherlich auch diese quĂ€lenden Fragen, die man sich selbstkritisch stellt. Leider lernen wir Menschen nie aus diesen "Fehlern", weil wir permanent in der Annahme sind (Ăberlebenstrieb), alles dauerte ewig.
Ich denke sehr oft an sie und zĂŒnde eine Kerze an. Sie fehlt.
Ein Teil meines Leben hat sich mit ihr aufgelöst und ist mit ihr im Meer untergegangen. Ich erinnere mich noch daran, dass sie zu Beginn der 1980ér Jahre mehrmals vor einer Schallplatte von "Alexandra" saà und weinte. Das Lied "Mein Freund der Baum" war zumindest eine ganze Zeit lang eines ihrer Lieblingslieder. Es passt irgendwie zur Gesamtsituation....
Vielleicht mag man mich fĂŒr kitschig halten (was mir völlig egal ist), aber all dies ist fĂŒr mich ein Weg, um an sie zu gedenken.
Alexandra
"Mein Freund der Baum"
Eintrag geschrieben im MĂ€rz 2024