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Sonntag, 18. Oktober 2020

Eintrag 370

Eisberg 2.0 oder

"Können Tote in die Kneipe gehen?"

Ein Kommentar von Pascale A.

Irgendwie erscheint mir der Oktober 2020 wie die Situation auf der Titanic 1912. Ein Eisberg wurde gerammt. Das unausweichliche Sinken des Schiffes wurde ignoriert. Ein Teil der Passagiere tanzte, feierte und spielte Musik, während der andere Teil versuchte Leben zu retten. Das Schiff war groß, es gab noch genug freie Räumlichkeiten und Kapazitäten, wohin sich die Untergehenden vorübergehend hinbewegen konnten. Das Ende der Titanic ist auf dem Meeresgrund zu begutachten.

Aktuell befindet sich Deutschland vermutlich in einem unkontrollierten Wachstum, was die Neuinfektionen betrifft. Dennoch feiert ein Teil der Menschen (mit dem Wissen aus den Ereignissen des Frühlings 2020) heimlich in Parks oder in engen Kellern und ignoriert bewusst die Corona-Maßnahmen, während ein anderer Teil mit schweren gesundheitliche Folgen auf den Intensivstationen oder Zuhause im Bett liegt. Was nutzt es einer Oma aus Berlin, dass es noch genug freie Beatmungsgeräte im ganzen Land gibt, wenn ihr das eine Gerät, an dem sie hängt, nicht weiterhelfen kann? Dann hat die Oma halt Pech gehabt, dass sie ein paar Tage vorher einer Partymaus im Treppenhaus begegnete oder wie stellt sich die Gesellschaft das Überleben von älteren bzw. vorerkrankten Menschen während der nächsten Monate vor?

Die Politik versucht richtigerweise einen erneuten Lockdown, wie im Frühling, zu vermeiden. Anstatt jedoch diejenigen Bevölkerungsgruppen mit ignorantem Verhalten deutlich in die Schranken zu weisen, erscheint es für einige Wissenschaftler/Politiker wichtiger zu sein, irgendeinen Quotienten zu errechnen, der über die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen mit entscheidet. Anstatt zu erkennen, dass es wichtiger wäre einen zusätzlichen (!) Leichenberg zu verhindern, wie er in anderen Ländern bereits existiert, werden die bisherigen Corona-Toten mit anderen (größeren) Tragödien verglichen, um diese Zahl ins Lächerliche zu ziehen oder die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen infrage zu stellen. Sind mögliche gesundheitliche Spätfolgen vieler Menschen und der Tod nicht verhältnismäßig genug?

Ich käme auch nicht auf die Idee z.B. 10 Tote eines Terroranschlags in Brandenburg ins Verhältnis zur Einwohnerzahl dieses Bundeslandes zu setzen und zu sagen, jährlich sterben aber in Brandenburg mehr Menschen an Krebs. Auch die Tragödie der Titanic wurde als Ganzes betrachtet. Niemand würde die Titanic-Toten ins Verhältnis zu den Toten des 1. Weltkrieges setzen. Warum auch?

Solch eine Denkweise fände ich absurd und zynisch. Freiheitsrechte vorübergehend einzuschränken scheint für viele Menschen unverhältnismäßig zu sein. Ab wann beginnt die Verhältnismäßigkeit? Ab 10 Toten pro Tag oder ab 756? 

In einigen Regionen gibt es Widerstand, was die Sperrstunden der Gastronomie betrifft. Im Grunde sollten sich die Wirte von Bars und Kneipen nicht bei der Politik beschweren, die ihre Gäste schützen will, sondern bei einem Teil ihrer Gäste, die zu viel feiern und das Virus somit weiter verbreiten. Eine alte Frau aus Madrid hat es auf dem Punkt gebracht, nachdem sich die Gastronomie über die drastischen Einschränkungen in der Stadt beschwerte. "Können Tote in die Kneipe gehen?" 

https://www.spiegel.de/politik/ausland/spanien-madrid-streitet-ueber-corona-lockdown-a-776c2166-6362-44c6-b114-a659f58d013d

Viele Menschen "freuen" sich nicht über die "verhältnismäßig" wenigen Toten in Deutschland (rund 10.000), sondern nutzen diese "niedrige" Zahl als Argument dafür, dass die Maßnahmen im Frühling zu weit gingen, heute noch zu weit gehen oder das Virus doch harmlos sei. Aus meiner Sicht ist das Gegenteil  (!) richtig, denn ich bin fest davon überzeugt, dass uns genau diese Maßnahmen vor diesen hohen Todes-Zahlen wie in Italien, Spanien oder Großbritannien geschützt haben. Beweisen kann man das leider nicht, weil es keine zweite "Modell"-Welt gibt, an der man es hätte testen können. Glauben diese Zweifler etwa, Corona sei "deutsch-patriotisch" und war deswegen hier etwas "gnädiger" als anderswo? Das Virus kennt keinen Freund oder Feind, es sucht sich nur irgendeinen Wirt, in dem es sich weiter verbreiten kann und der Körper des Wirts entscheidet über die Art des Krankheitsverlaufs. So einfach ist das.

Diese Zweifler sollten sich freuen, dass ihre Eltern oder Großeltern noch leben (sollte das der Fall sein) und nicht herumnörgeln, dass sie für ein paar Monate ein Stück Stoff im Gesicht tragen und Abstand halten müssen.

Als sich die Corona-Zahlen, vermutlich dank des Lockdowns, im Sommer stabilisierten und "im Keller" waren, hat die Politik richtigerweise (!) viele Maßnahmen gelockert, damit ein Stück Alltag zurückkehrt. Vielleicht wurde hier und dort etwas zu weit gelockert, weil die Politik auf die Eigenverantwortung (!) der Menschen setzte. Das "Lockern" kam bei einigen Menschen offenbar als "falsches Signal" an, wie man täglich auf den Straßen dieses Landes sehen kann.

Anstatt sich bei einem Restaurantbesuch vernünftig in eine Gästeliste einzutragen, damit im Fall der Fälle schnell eine Infektionskette unterbrochen werden kann, werden nicht selten Phantasie-Daten angegeben, mit verheerenden Folgen. Infizierte laufen symptomfrei durch die Gegend und bilden neue Infektionsketten. Durch ihr unsolidarisches und ignorantes Verhalten befeuern sie das Infektionsgeschehen weiter. 

In Berlin-Neukölln scheint die Lage bereits außer Kontrolle geraten zu sein, denn 70 Prozent der Fälle sind nicht mehr zurück zu verfolgen. Liest man den Artikel dieses Arztes genau, so erfährt man zwischen den Zeilen, das es dort schon zu spät sein könnte, was die Eindämmung des Virus betrifft.

https://www.tagesspiegel.de/berlin/berlin-neukoelln-vor-dem-kontrollverlust-wir-brauchen-jetzt-einen-strategiewechsel-sonst-halten-wir-nicht-durch/26274748.html

Es wird immer ein Restrisiko für eine Infektion geben, trotz Maske und Abstand. Für mich ist es jedoch ein himmelweiter Unterschied, ob man das Verhalten in der Pandemie bis zur Kippe ausreizen muss, oder ob das kleine "Restrisiko" der Hauptfaktor für die Ausbreitung ist.

Der Zusammenhang zur Titanic? Der Eisberg war da und wurde zu spät erkannt, um das Schiff umzusteuern (ähnlich wie im Frühling während der 1. Welle).

Heute bilden die Ignoranten und Feiernden einen großen Teil des Eisbergs 2.0, der die Gesellschaft rammt. Sie entscheiden durch ihr Verhalten über seine Größe und somit über die Wucht, mit der sich die Intensivstationen füllen. Die Gesellschaft wird (vermutlich) an dieser Pandemie nicht zugrunde gehen. Aber es sollte entscheidend sein, ob 10.000 Menschen sterben oder vielleicht 70.000 Menschen. Kinder werden ihre Großeltern verlieren und Eltern ihre Kinder. Es kann jeden treffen, von jetzt auf gleich! 

Wer in sich hineinhört und klammheimlich feststellt, dass ihm gedanklich viele Tote von Alten und Vorerkrankten egal wären, damit der eigene Lebensstil nicht beeinträchtigt wird, der sollte sein Menschenbild überdenken. Es bedeutet -zynisch betrachtet- nichts anders als die Alten zu "opfern", damit "weitergefeiert" werden kann.

PS: Mir ist bewusst, dass die textlich gemalten Bilder an der ein oder anderen Stelle bezüglich eines Vergleichs zwischen Titanic und Pandemie nicht ganz zutreffend sind. Dennoch bin ich hoffnungsvoller Dinge, dass der Kern meiner Meinung deutlich wird.

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