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Sonntag, 21. Januar 2024

Eintrag 751


Pascale,
wie geht es Dir?



Es gibt Momente in meinem Leben, da wäre ich gern noch einmal derjenige kleine Pascale, der, wie auf dem Bild, voller Freude einen Spielzeug-Laster in der Hand hält, den ihn seine Eltern gerade auf einer "Butterfahrt" geschenkt hatten. 

Im Grunde ist dieser kleine Pascale immer noch ganz tief in mir verborgen und nie so richtig verschwunden. Er trotzte allen Erziehungsversuchen seiner Eltern entgegen, betrachtete die Welt mit seinen Kinderaugen und tastete sich stets spielerisch bis naiv durch sein junges Leben. Liebgewonnenes wollte er nicht gehen lassen, bis es ihn verließ. Er fühlte sich im Kreise seiner Familie geborgen, bis sie, still und leise, auseinanderbrach. 

Dieser kleine Junge stand auch als Erwachsener, also sein ganzes Leben, nie gern im Mittelpunkt. Seine Stärke liegt in der Betrachtung, seine Schwäche in der Handlung. Klein-Pascale sortierte, ohne Scheu, die Honigbienen in einem Schrebergarten in eine Reihe, bis sie ihn stachen. Diplomatie kannten die Bienen nicht. Irgendwann wurde er ängstlich, zog sich gern in ruhige Ecken zurück und beobachtete seine Umwelt, um Gefahren zu erkennen und sie zu bewerten. 

Pascale merkte schnell, dass einige Kinder eine große Freude verspürten, anderen Kindern im Sandkasten die Sandburgen zu zertreten, wenn sie einen kurzen Augenblick nicht aufpassten. Oder sie zertraten - dies war eine besonders gehässige Variante - die Sandburgen ganz am Ende des Bauens. 

Meine kleine isolierte Welt, Ende der 70èr Jahre im Sandkasten, war nie heile, denn irgendein Kind musste immer stänkern. Meine frühkindlichen Erfahrungen aus dem Sandkasten haben mich geprägt, bis ins heutige Verhalten hinein.

Der heutige Pascale ist etwas offensiver und forscher als der kleine Pascale. Er kann ankommende Gefahren gut einschätzen, aber diese nur selten verhindern. Es nutzt jedoch nur wenig, wenn man einen großen Stein auf sich zurollen sieht, dies auch gut erkennt und die Parameter einordnen kann, aber nicht in der Lage ist, diesem Stein auszuweichen. Der kleine und der große Pascale haben verinnerlicht, dass die Umwelt fragil und dynamisch ist. Die stabile Plattform von heute kann der wacklige Steg von morgen sein.

Eine Klassenkameradin schrieb mir in der 6. Klasse einen Spruch in mein Poesie-Album, der in meinem Leben stets zu traf:

"Pascale, 
gib acht auf die Menschen, 
denn sie sind veränderlich. 
Die sich heute Freunde nennen, 
reden morgen über Dich." 
(Kontext) 

Diesen Text konnte ich damals in seiner Tragweite nicht erfassen. Erst im Laufe meines Lebens spürte ich, durch eigenes Erleben, die bittere Wahrheit hinter diesen Worten. Ich musste lernen, dass eine Kritik ein wichtiger Baustein für positive Veränderungen sein kann, wenn sie konstruktiv formuliert wird. Doch wer formuliert Kritik schon konstruktiv, wenn sie aus einer emotionalen Situation heraus entsteht? Kritik kann mich im Leben weiterbringen, falls ich diese Verbesserung als berechtigt ansehe und sie annehme. Wenn ich eine Beanstandung nicht für berechtigt halte, dann denke ich, wenn auch zeitversetzt, zumindest mal darüber nach. Die "Fehlerfreiheit" oder "Perfektion" ist eine Illusion. Wichtig ist nur mit seinen Unzulänglichkeiten (Ecken und Kanten) gut umgehen zu können. 

In diesem "Poesie-Album-Text" geht es jedoch nicht um Menschen, die einen durch Hinweise im Leben weiterbringen, sondern um menschliche Verhaltenszüge, die opportun sind. Der Fingerzeig der Klassenkameradin an mich war: Menschen bleiben nur solange als Freund in Deiner Nähe, so lange Du ihnen dienlich oder bequem bist. Doch "Freund sein" bedeutet mehr. Freund sein ist eine dauerhafte Konstante. Der gemeinsame Gang durch "dick & dünn", "oben & unten" sowie "Freud & Leid". 

Doch bereits der kleine Pascale erlebte, wie sprunghaft Menschen sein können. Dabei war er ein treuer und ehrlicher Lebensgefährte, ein richtiger "Pfundskerl", der einem die "Räuberleiter" machte, wenn ein Junge sagte: "Pascale, ich hole für uns beide die Äpfel vom Baum." Danach rannte der Junge mit den Äpfeln weg....Diese Erlebnisse waren meine ersten Erfahrungen mit den menschlichen Verhaltensweisen "Verrat" und "Niedertracht". 

Schaut ihn Euch da oben auf dem Foto an, den kleinen Pascale mit seinem leicht verschmierten Kindermund. Er stahlt seinen Vater an, der das Foto damals gemacht hatte. Er wirkt mit sich und seiner Umwelt im Reinen. Ich wünschte mir gelegentlich, ich könnte noch einmal dieser Pascale sein und so fühlen wie er damals in diesem Augenblick fühlte.

Geschrieben November / Dezember 2023