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Dienstag, 14. August 2018

Eintrag 45

6. Gast-Beitrag

Im Rahmen meiner Blog-Interaktion findet Ihr meinen Gastbeitrag zum Thema "Angst- und Zwangsstörungen", der auch im Blog 



veröffentlicht wurde. Ich habe den von mir geschriebenen Artikel aus dem oben genannten Blog entnommen. 

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EIN PERSÖNLICHER ERFAHRUNGSBERICHT: URSACHEN UND HINTERGRÜNDE VON ANGST- UND ZWANGSSTÖRUNGEN

Heute geht es in meiner Reihe ĂŒber Psychische Erkrankungen um Angst- und Zwangsstörung, also der Erkrankung von der ich selbst betroffen bin. Allerdings möchte ich euch in diesem Artikel weder erklĂ€ren, wie sich solch eine Störung auf das Verhalten auswirkt, noch von meiner eigenen Angst- und Zwangsstörung berichten, sondern Pascale zu Wort kommen lassen


Ich bin Pascale A., 44 Jahre jung und wohne in Berlin und im Rahmen dieser Bloginteraktion schreibe ich diesen Artikel fĂŒr Carmens Blog. Ich habe selbst 2 Blogs (Internet-TagebĂŒcher) und freue mich ĂŒber einen Besuch auf meinen Seiten: https://pascale1974.myblog.de und http://pascale2107.blogspot.com

VerĂ€nderungen im Leben können positiv oder negativ sein. Aus irgendwelchen GrĂŒnden habe ich die Eigenschaft entwickelt, spontane VerĂ€nderungen grundsĂ€tzlich als "Bedrohung" zu werten. Auch in diesem Bereich mögen die UrsprĂŒnge in meiner Kindheit liegen und vielleicht mit dem Alkoholismus meines Vaters zusammenhĂ€ngen.

Ich leite am gegenwĂ€rtigen Verhalten mir nahestehender Personen eine Prognose fĂŒr ein mögliches (bedrohliches) Szenario ab, wenn ich eine VerhaltensĂ€nderung der Person "fĂŒhle". In vielen FĂ€llen habe ich Recht behalten, auch wenn ich das negative Szenario nicht abwenden konnte. Ich entwickele dann eine kontrollierende Haltung, weil ich die mir vertraute Gegenwart erhalten möchte. Leider muss ich eingestehen, dass ich durch diese kontrollierende Haltung, die bei mir oft mit einer innerlichen Anspannung einhergeht, in einigen FĂ€llen das negative Szenario mit beeinflusst habe. Im Endeffekt habe ich genau das Gegenteil erreicht. Ich entwickele unbewusst eine unterwĂŒrfige Haltung, um die drohende VerĂ€nderung aufzuhalten.

Der schwere Alkoholismus meines Vaters war eine Grundlage meiner heutigen ZwĂ€nge und Ängste.


Die letzten Jahre bis zu seinem Tod waren geprĂ€gt von
 Peinlichkeiten, weil er einen bloßstellen konnte und anderen Menschen gegenĂŒber ausfĂ€llig wurde. Oft schĂ€mte ich mich fĂŒr ihn, wenn er mich betrunken von der Schule abgholt hatte. Wie oft habe ich ihn verleugnet oder fĂŒr ihn gelogen, um ihn zu schĂŒtzen, wenn er betrunken auf dem Sofa lag! Wie oft sammelte ich in der U-Bahn oder auf den Straßen sein Kleingeld wieder ein, weil er stĂ€ndig auf den Boden fiel! Wie oft trug ich ihn nach Hause, meinen hilflosen, aber geliebten Vater!!!

Sorge, weil er in seinen Stimmungen unberechenbar war und man nicht wusste, wann er nach Hause kommt. Oft kam er erst nach Tagen von einer Sauftour wieder. Er lag dann ein oder zwei Tage auf dem Sofa mitten im Wohnzimmer und kurierte sich aus, bis er wieder los zog. 
Hoffnungen, weil er immer sagte, dass er bald mit dem Trinken aufhören wĂŒrde. Als Kind vertraut man auf diese Worte, die er aber aufgrund seiner Krankheit nicht einhalten konnte. Er war ein kranker Mann und konnte seine Versprechen nicht halten. Eine Entziehungskur wollte er nicht machen. Ich erinnere mich noch gut, wie ich bei SpaziergĂ€ngen mit ihm und unserem Hund "Tapsy" durch ÜberredungskĂŒnste versuchte ihn von Kneipen fernzuhalten, die auf dem Weg lagen. Er "lockte" mich immer mit "5 Mark" fĂŒr den Flipper und versprach mir, dass wir in EINER STUNDE wieder gehen. Meistens waren es dann 4 oder 5 Stunden.

Wut auf ihn, weil die stÀndig gebrochenen Versprechen in mir Traurigkeit und Frust auslösten.
All das ist mir im Rahmen einer mehrmonatigen Therapie, die ich vor ĂŒber 15 Jahren durchgefĂŒhrt habe, klar geworden. Mein Therapeut sagte mir, ich solle akzeptieren, dass ich Fehler und UnzulĂ€nglichkeiten habe. Ich solle versuchen den Perfektionsmus, der in verschiedenen Kontrollhandlungen mĂŒnden kann, aufzuweichen. Das setzt voraus, Fehler anderer Menschen zu akzeptieren und das Leben nicht als statischen Zustand zu betrachten, sondern als sich entwickelnden Prozess. Es sei wichtig, den Moment zu leben und zu genießen. Positive Elemente wie beispielsweise EntspannungsĂŒbungen können den Ursprung von Stress (Auslöser von Zwangshandlungen), einschrĂ€nken. Ich arbeite daran, dieses Dilemma zu minimieren oder aufzulösen. Meine Kontrollhandlungen (TĂŒr auf und zu, Muttermale kontrollieren usw.) sind kaum noch vorhanden. 
Da ich aufgrund meiner Biographie StabilitĂ€t möchte, wird es eine lebenslange Aufgabe fĂŒr mich sein, VerĂ€nderungen positiv zu gestalten und zuzulassen, wenn sie sich nicht aufhalten lassen. Abschließen möchte ich meinen Beitrag mit einem Gedicht, welches ich ĂŒber meine Therapie schrieb.

Übermorgen.
Gedanken im Nebel. Eingemauert im Sog der Apokalypse.
Verlorenes GlĂŒck verzehrt.
Als lebensnotwendig erkannte BrĂŒcke, die steil in die Tiefe fĂŒhrt, ist der einzige Ausweg zum Anfang.
Das unbekannte neue Ziel ist vorgegeben.
Die Worte der Weisen von gestern verstummen in der Morgenröte.
Das Tal der LebenslĂŒgen erstreckt sich vor dem Gewissen.
Die Vergangenheit, versammelt als SchuldgefĂŒhl, sucht einen Erlöser aus den ZwĂ€ngen.
Von Pascale A., November 2003