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Samstag, 25. April 2020

Eintrag 299

Zynische Debatte 
"Tod MIT oder DURCH"-Corona

Leider lese ich ständig irgendwelche Meinungen, welche die Corona-Maßnahmen deskreditieren. Leider wird hier die berechtigte Debatte über die Abfederung der wirtschaftlichen Not gegen die herrschende Meinung der Virologen/Epidemiologen (Corona ist nicht harmlos) ausgespielt. 

Ins Feld geführt wird ein Argument, dass die meisten Corona-Patienten nicht DURCH das Virus sterben sondern MIT ihm, weil sie "vorerkrankt" seien. Hierzu meine Meinung:

1) Es wurde von Anfang an gesagt, dass dieses Virus schwere Verläufe bei alten und vorerkrankten Menschen hervorrufen kann. Aufgrund dieser Vorerkrankungen kommt es wohl im Krankheitsverlauf, sodass viele Patienten an einem Zusammenspiel vieler Faktoren sterben.

2) Aus 1) folgt für mich aber gerade, dass dieses Virus gefährlich ist. Es mag zwar für die Wissenschaft spannend sein, wie sich das Virus auf gewisse Vorerkrankungen auswirkt, aber nicht für denjenigen Patienten, der gestorben ist. 

3) Die ganze Debatte nimmt bei vielen Diskutanten einen zynischen Einschlag: Der Unterton "diese Menschen würden doch eh bald sterben" gefällt mir gar nicht und stellt für mich das humanistische, medizinische Weltbild in Frage. Für die Familien macht es einen Unterschied, ob eine Oma 80 Jahre alt wird oder vielleicht 86. Für einen Krebs-Patienten macht es für seine Angehörigen auch ein Unterschied, ob dieser noch 5 oder 10 Jahre länger lebt oder nicht. Und der ungünstige Verlauf der Corona-Erkrankung nimmt solchen Menschen diese Perspektive. 

4) Ich finde das Statement eines Baseler Pathologen sehr gut:

Der Basler Pathologe Tzankov hält die Unterscheidung von "an" und "mit" Covid-19-Verstorbenen für unergiebig. "Wenn ich eine Krebserkrankung habe und noch ein halbes Jahr lebe und mich ein Auto überfährt, dann mindert das ja auch nicht die Schuld des Autofahrers", sagt er. Ähnlich sei es bei Covid-19. Natürlich hätten die Verstorbenen viele Vorerkrankungen und die Lebenserwartung sei sicher kürzer als die von Gesunden. "Aber alle diese Patienten hätten wahrscheinlich ohne Covid-19 länger gelebt, vielleicht eine Stunde, vielleicht einen Tag, eine Woche oder ein ganzes Jahr." Ohne das Coronavirus wären die Verstorbenen, die er obduziert habe, "wahrscheinlich noch am Leben". 

(Quelle https://www.tagesschau.de/investigativ/ndr-wdr/corona-obduktionen-103.html)

5) Wenn man das Weltbild einige dieser Menschen, welche die oben genannte Meinung vertreten, zynisch weiterspinnen würde, so könnte man doch gleich sagen, dass jeder vorerkrankte Mensch mit dem 70. Lebensjahr seine Krankenkarte abgeben und ihm eine gesundheitliche Behandlung verweigert werden soll. Spielt doch eh keine Rolle, ob diese Menschen noch 5 Jahre länger leben oder nicht.

Fazit: Mich stimmen diese oder ähnliche Meinungen sehr nachdenklich und traurig. Die Corona-Maßnahmen wurden fast überall deutlich gelockert. Erst in 1-2 Monaten werden wir wissen, ob aufgrund dieser Lockerungen die Infektionszahlen deutlicher ansteigen als aktuell. Ein sehr gewagtes Experiment, wie ich finde. Wir haben inzwischen fast 6000 Tote in Deutschland. Hätte es diese Toteszahl bereits Anfang April gegeben, ähnlich wie in anderen Ländern, ob wir dann diese Lockerungsdebatte auch gegeben hätten?