Ticker

🐰❤️🐌 = P.❤️M.

Donnerstag, 10. November 2022

Eintrag 614

Professor a. D. 

Ein guter Kumpel teilte mir vor ein paar Wochen mit, dass mein damaliger Statistik-Professor gestorben ist. Es dauerte keine 5 Minuten bis die traumatischen Erlebnisse, die ich im Zusammenhang mit diesem Professor erlitten hatte, wieder präsent wurden.

Ich habe sowohl in diesem als auch in meinem ersten Blog über das knappe Scheitern meines Studiums in den Wirtschaftswissenschaften berichtet. Dieser Professor "schmückte" sich gern mit seinen hohen Durchfallquoten. Er stilisierte die Statistik, die für einen Betriebswirt eher eine angewandte Rolle spielt, hoch zu einem "überlebensnotwendigen", theoretischen Konstrukt. Durchfallquoten von über 60 Prozent waren in seinen Prüfungen keine Seltenheit.

Das eigentliche Problem war, das man sich als Student nicht vernünftig auf seine Klausuren vorbereiten konnte. Der Inhalt seiner Klausuren hatte nur bedingt etwas mit seinen Übungen zu tun, denn man musste nicht selten die Klausuraufgaben theoretisch umstellen, um auf die eigentliche Fragestellung zu kommen. Die Lösung alter Klausuren war für die Klausurvorbereitung nur bedingt hilfreich, weil es keinen wirklichen "roten Faden" zwischen den Klausuren gab. Man war also gezwungen den Lernstoff theoretisch verstehen zu müssen (Herleitungen von Formeln) und nicht, wie für Wirtschaftswissenschaften eigentlich üblich, praktisch anzuwenden (durch Einsetzung der Zahlen in Formeln oder Ähnliches).

Während meiner drei Versuche wurde das Bewertungsverfahren seiner MC-Klausuren geändert. Mal zählte nur das richtige Kreuz, ohne Bewertung des Rechenweges, mal gab es Teilpunkte, auch durch die Lösung einer Seminararbeit. Es gab ständig Zirkus mit ihm und diversen universitären Gremien. Seine Prüfungen lagen nicht selten vor Gericht. Prüflinge bekamen meistens Recht und erhielten einen weiteren Prüfungsversuch. Aber eben nur diejenigen Prüflinge, die geklagt hatten und nicht all die anderen, die der Sachverhalt ebenfalls betroffen hat.

Der Lehrstuhlinhaber ließ sich jedoch nicht beirren. Das Bewertungsverfahren wurde zwar im nächsten Semester angepasst, er änderte jedoch nichts an dem übertriebenen Schwierigkeitsgrad seiner Prüfungen, was für die meisten Studenten das eigentliche Problem darstellte. Der Herr Professor neigte weiterhin dazu, sich in seinen Vorlesungen über einige Studenten lustig zu machen, indem er sie mit ironischen Bemerkungen oberlehrerhaft "abkanzelte". Es schien ihm sichtlich zu gefallen, Macht auszuüben. 

Zurück zu meinem Drama: Eigentlich hatte ich eine Statistik-Klausur an einem anderen Lehrstuhl bereits bestanden, doch diese wurde mir wegen der Umstellung von Diplom auf Bachelor nicht anerkannt, weil die Vorlesung nicht 4-stündig, sondern nur 2-stündig war. Leider gab es auch keine Möglichkeit, diesen Professor irgendwie zu umgehen, weil die notwendige Vorlesung nur durch ihn angeboten wurde. 

Und der niederträchtige Charakter dieses Mannes zeigte sich im folgenden Verhalten mir gegenüber. Ich ging, wie jedes Mal, in die Klausureinsicht des Lehrstuhls. Vor mir lag die Note 5 meines letzten Prüfungsversuches. Nach der ersten Durchsicht stellte ich fest, dass ich in einer Aufgabe nur 1 von 12 Punkten erhielt, obwohl ich mehrere richtige Ansätze vorweisen konnte, hinter denen sich auch ein "Haken" befand. Mir fehlten zum Bestehen der Klausur (und somit meines gesamten Studiums) nur 2 lächerliche Punkte. Im Raum befand sich sowohl der Professor als auch sein Doktorand, der die Klausuren im Wesentlichen korrigierte. Ich zeigte ihm die Aufgabe. Er nickte lächelnd mit dem Kopf und sagte, dass er mir gern diese 2 fehlenden Punkte geben würde. 

Der Doktorand ging mit meiner Klausur zum Professor, der die ganze Zeit aus dem Fenster blickte und sagte ihm, dass hier 2 Punkte schlummern, die zur Bewertung herangezogen werden können. Der Professor blätterte meine ganze Klausur durch und sagte am Ende ganz trocken:" Ich gebe Ihnen nur ein Punkt und nicht 2 Punkte. Und da Ihnen der eine Punkt nichts nützt, brauche ich ihn auch nicht zu notieren. In diesem Fach bewerte ich Leistung und keine Zufälle. Ich kann leider nichts für sie tun." (Kontext) Der Doktorand zuckte dann nur mit den Schultern und sammelte meine Klausur wieder ein. 

Fakt ist: Ich hätte nach meinem 3. Versuch diese Klausur bestanden und somit mein ganzes Studium! Es gab den Doktoranden, der mir das bestätigt hatte. Meine Beschwerde, die ich an der Universität einlegte, wurde abgelehnt, weil am Ende nur der Lehrstuhlinhaber für die Bewertung der Klausur zuständig ist. Objektiv und formal gab es angeblich nichts zu beanstanden. Ich verklagte den Professor, weil in diesem Semester wieder die Bewertungsmodalitäten umgestellt wurden. Das Gericht gab mir Recht und ich erhielt einen neuen Prüfungsversuch. Am Ende fehlten mir zum Bestehen der Klausur dann 5 Punkte. Ich halte also fest, dass es gar nicht zur Klage gekommen wäre, wenn diejenigen Punkte auch bewertet worden wären, die ich mir im 3. Prüfungsversuch erarbeitet hatte.

Als ich vom Tod dieses Mannes erfuhr, empfand ich keinerlei Trauergefühle oder Empathie, was eigentlich unüblich für mich ist. Obwohl ich in der Klausureinsicht gegenüber dem Professor deutlich erwähnte, dass ich im finalen Versuch bin und um Rücksichtnahme bat, ließ er mich mit der oben genannten, unverschämten Bemerkung (studientechnisch) eiskalt verrecken. Dieses Verhalten bewerte ich als reine Willkür, weil es objektiv Punkte gab, die er hätte bewerten können....