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Freitag, 7. August 2020

Eintrag 344

 Reflektion
meines momentanen Erziehungsstils

In gewissen ZeitabstĂ€nden reflektiere ich meinen Erziehungsstil gegenĂŒber meinem Sohn Leonard. Ich schrieb bereits in mehreren EintrĂ€gen meiner beiden Blogs (diesen Blog und meinen ersten Blog) ĂŒber mein Erziehungsmotto "Alles im Rahmen". Dieses Motto hab ich mir von meinem Vater abgeschaut. 

Ich konnte frei spielen und auch mal ĂŒber die StrĂ€nge schlagen, wenn ich eine gewisse Linie nicht ĂŒberschritten hatte. Es reichten wenige Worte oder Blicke seiner dominanten Persönlichkeit, um zu erkennen, dass ich den Bogen ĂŒberspannt hatte. Es folgten keine großen "Strafen" oder irgendwelche Konsequenzen. Mein Vater hatte den Kern des "Kindseins" verstanden: Kinder mĂŒssen, um sich selbst zu finden, auch mal "ĂŒbertreiben" dĂŒrfen, natĂŒrlich nur bis zu einem gewissen Punkt. Konsequenzen hĂ€tte es erst dann gegeben, wenn ich mich weiterhin oder langanhaltend "ĂŒbertrieben" verhalten hĂ€tte. Ich lies es nie darauf ankommen, weil ich seine GĂŒte erkannte und diese nicht ausreizen wollte. Eine böswillige Formulierung der Erziehung meines Vaters wĂ€re: "Es war ihm gleichgĂŒltig, was ich tue". Eine positive Formulierung wĂ€re:" Er wollte mich Dinge ausprobieren lassen und Schritt erst dann ein, wenn es " zu viel" war."

Wie soll aus einem Kind ein selbstbewusster Erwachsener werden, wenn man es nicht mal ausprobieren lĂ€sst? Einige Kinder beginnen ab einem gewissen Alter Regeln, die sie fĂŒr unsinnig halten, neu zu verhandeln. Diese "Verhandlungen" sind fĂŒr Eltern zwar oft anstrengend, weil sie glauben, dass an ihrer AutoritĂ€t gerĂŒttelt wird. Aber sind diese Verhandlungen nicht ein Schritt in ihrer Persönlichkeitsentwicklung?  Es gibt Dinge, die sind klar. An der Regel "Keine FĂŒĂŸe auf den Tisch" gibt es nichts zu verhandeln. 

Es bleibt nie aus, dass Eltern ihre Erlebnisse ihrer eigenen Kindheit mit in den Erziehungsstil einfließen lassen. Daher kommt es nicht selten vor, dass jeder Elternteil andere Erziehungsschwerpunkte setzt. Ein Kind sollte auch lernen, dass es "WidersprĂŒche" im Leben geben kann. 

Offensichtlich fĂŒhlt sich Leonard in meiner Gegenwart wohl. Ich finde es ein wichtiges Kriterium fĂŒr den "Erfolg" einer Erziehung, ob sich ein Kind verstanden und geborgen fĂŒhlt. Vertrauen ist die Basis sĂ€mtlichen Handelns in einer Eltern-Kind-Beziehung und darĂŒber hinaus die Grundlage fĂŒr die StabilitĂ€t zwischenmenschlicher Bindungen. WĂŒrde man Leonard in 20 Jahren meinen Erziehungsstil bewerten lassen, so wĂ€re dies seine reflektierte Bewertung als erwachsener Mann (Retro-Perspektive).

Andersherum: In die Bewertung eines aktuellen Kind-Verhaltens sollten auch die familiĂ€ren Rahmenbedingungen und die charakterliche Beschaffenheit (SensibilitĂ€t) mitbetrachtet werden (ganzheitliche Betrachtung des strukturellen Umfelds). Ist man also der Auffassung, dass sich ein Kind seit lĂ€ngerer Zeit beispielsweise "aufmĂŒpfig" verhĂ€lt, so ist es aus meiner Sicht notwendig, die eben genannten Dinge (wegen möglicher Wechselwirkungen) mit zu betrachten.

FĂŒr mich ist es wichtig von Zeit zu Zeit meinen Erziehungsstil neu zu bewerten, weil ich im Laufe der Zeit neue Erkenntnisse gewonnen habe. Was vor 3 Jahren fĂŒr Leonard aus meiner Sicht erziehungstechnisch noch angemessen erschien, kann heute schon ĂŒberholt sein. Es ist wichtig immer offen zu sein fĂŒr neue EindrĂŒcke und sich selbst zu hinterfragen. Im Hinterkopf schwebt stets die Erfahrung, wie ich als Kind meine Eltern erlebt und wahrgenommen habe verbunden mit dem Gedanken, wie mich mein Sohn mit seinen Kinderaugen sehen könnte.

Dieser Eintrag wurde am 19.07.2020 formuliert.

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