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Donnerstag, 4. Juni 2020

Eintrag 324

Vermutlich 50.000 bis 100.000 Menschen 
in Deutschland das Leben gerettet


Ein Kommentar von Pascale A.


Ich wundere mich sehr über die Demonstrationen und Proteste gegen die Corona-Maßnahmen, die während der letzten Wochen in verschiedenen Städten vermehrt aufgeflammt sind. 

In Deutschland ist die "Infektionslage" seit ein paar Wochen weitgehend "stabil". Die Anzahl der täglichen Neu-Infektionen liegt bei unter 1000 und der wichtige R-Wert schwankt um den kritischen Wert 1 herum. Die Infektionsherde liegen zur Zeit eher auf regionalen Hotspots (teilweise Fleischindustrie, Paketverteiler-Zentren, vereinzelte Gottesdienste und Restaurants oder Ähnliches), die schnell eingedämmt werden müssen.

Die Bundesländer, welche für die Umsetzung der Corona-Maßnahmen weitgehend verantwortlich sind, haben die Nachverfolgung von Infektionsketten größtenteils an ihre Kommunen weiter delegiert. Die personell chronisch unterbesetzten, kommunalen Gesundheitsämter sollen nun das Bollwerk gegen die "2. Infektionswelle" sein, die im Herbst oder Winter das Gesundheitssystem stark beanspruchen könnte, falls sie kommt. Im Gegenzug dafür haben die Bundesländer die Corona-Maßnahmen (unter Auflagen) stark gelockert, damit das wirtschaftliche Leben wieder in die Gänge kommt und die Menschen wieder ihr Einkommen erzielen können.

Sogar Demonstrationen sind unter Auflagen weitgehend wieder möglich. Der Staat versucht mit Augenmaß diejenigen Einschränkungen, die er einführen musste, um die Infektionslage nicht wie in Italien oder Spanien eskalieren zu lassen, schrittweise zurückzunehmen. Eigentlich ist die Wiederherstellung der Freiheitsrechte ein gewichtiges Gegenargument für die vielen Verschwörungstheorien, die behaupteten, es solle eine Diktatur eingeführt werden. Sie erkennen nicht, dass sie ihre Transparente eigentlich wieder einrollen müssten, weil sich ihre Behauptungen massiv in Luft aufgelöst haben.

Und nun platzt eine Meldung in die Nachrichtenlandschaft herein, die ich für vollkommen schlüssig halte. Prof. Dr. Drosten gibt bekannt, dass die Wissenschaft und insbesondere sein Team wohlmöglich bis zu 100.000 Tote in Deutschland verhindert habe.


Ich versuche mal durch einen Text ein "Bild zu malen", um die Absurdität in diesem Land zu verdeutlichen. 

-Bild Anfang-

Deutschland erhält die Meldung, dass ein schwerer Tsunami über Italien und Spanien hereingeschwappt ist und weite Teile Europas und der übrigen Welt überfluten könnte. Deutschland liegt noch vor der Welle und hatte ein paar Tage Zeit, um noch schnell einen Damm zu bauen, damit dieser die Welle brechen kann.

Also wurden eilig Sandsäcke und viel Baumaterial (Corona-Maßnahmen, Erweiterungen im Gesundheitssystem) herbei geschafft und ein Wall errichtet, damit die Welle (Virus-Ausbreitung) nicht zu heftig wird. Parallel dazu schnürte die Politik viele Hilfsprogramme, weil die Errichtung des Walls das wirtschaftliche Leben abschnürt. Für die Regierungen dieser Welt gibt es keinen vergleichbaren "Standard-Lehrbuchfall", an den man sich orientieren kann. Die Zeit zu handeln war sehr begrenzt, denn die Welle wartet nicht, bis auch der letzte Sandsack den Wall abgedichtet hat. 

Die Herausforderung für die Wissenschaft war und ist, dass sie nicht sehr viel über den Tsunami weiß. Am Anfang wusste sie nur, dass er "nass" und "kräftig" ist und besonders die "Alten" und "Vorerkrankten" trifft. 

Die Welle kam und der Damm schien zu halten! Die Anzahl der Neu-Infektionen ging spürbar zurück! Während dieser Zeit gewann die Wissenschaft neue Erkenntnisse und wusste, dass das Wasser nicht nur "nass" ist, sondern aus verschiedensten Bestandteilen besteht. Weiterhin wurde der Strömungsverlauf der Welle untersucht und man fand heraus, dass der Tsunami in verschiedenen Ländern unterschiedlich "kräftig" auf den Strand trifft. Die Wucht der Welle hängt auch davon ab, wie der Strand beschaffen ist. Sämtliche Vorgänge sind noch nicht abschließend untersucht, aber die Wissenschaft, welche die Politik berät, nimmt je nach Kenntnisstand aus der Forschung eine neue Haltung ein und zieht daraus neue Schlussfolgerungen zum Gesamt-Geschehen. So funktioniert Wissenschaft!

Diese neuen Schlussfolgerungen wirken auf die Politik und viele Menschen widersprüchlich. Inzwischen leiden Millionen von Menschen wirtschaftliche Not, weil die Rettungspakete, welche die wirtschaftlichen Leiden minimieren sollten, oft nicht ausreichen. Diverse Medien griffen diese scheinbaren "Widersprüche" aus der Wissenschaft auf. Inzwischen meldeten sich auch Mediziner und Wissenschaftler aus anderen Fachgebieten (keine Virologen, Epidemiologen) zu Wort, die versuchten, den Tsunami zu verharmlosen und den Schutz-Wall infrage zu stellen. Es wäre so, als wenn ein Dachdecker einem Maurer sagen würde, wie er seine Arbeit zu verrichten hat. Diese Kritik aus fachfremden wissenschaftlichen Disziplinen war meistens "Meinung" und war fundiert durch "Standard-Lehrbuchwissen" über die Welle eines Flusses, aber nicht über die Welle dieses speziellen Tsunamis, an dem nur wenige Spezialisten forschen.

Mittlerweile versammelten sich Menschen aus verschiedensten gesellschaftlichen Strömungen (Impfgegner, Verschwörungstheoretiker, Religiöse, Rechte, Linke, besorgte Bürger...) am Tsunami-Schutz-Wall und protestierten gegen ihn. Auf verschiedensten Transparenten und Plakaten war zu lesen;" Wasser ist nur nass!", "Den Tsunami gibt es gar nicht!" oder "Der Schutzwall war überflüssig, wir hätten die Welle auch ohne Damm verhindern können!"

Die Politik war zunehmend beunruhigt über diese Entwicklung. Inzwischen gab es auch eher zynische Kommentare aus einigen Teilen der Wirtschaft und Politik. Es träfe überwiegend eh "nur" die Alten, die bald sterben würden (Kontext). Diese Formulierungen wurden selten so drastisch benutzt, aber in den Äußerungen einiger "Lockerungs-Fans" schwang dieser Unterton deutlich hörbar mit. Zyniker begannen Wirtschaft und Gesundheit in ein Kosten-Nutzen-Verhältnis zu setzen. Es gebe in Deutschland bisher "nur" 8600 Tote. 

Plötzlich wurde der bisher milde Verlauf des Tsunamis als Gegenargument für den Schutz-Wall benutzt. Der Tsunami hat nicht wie in anderen Teilen Europas zu Leichenbergen geführt. Der Schutzwall, dessen Errichtung vermutlich genau diese Leichenberge verhindert hat, wird nun als Überreaktion dargestellt (Präventions-Paradox). An einigen Stellen wurden die Sandsäcke schrittweise wieder abgebaut. damit die Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Teile in der Politik setzen vermehrt auf die Eigenverantwortung der Menschen, selbst auf ihr Haus aufzupassen. Das Motto: "Wer Angst hat, soll zuhause bleiben." 

Es ist zu beobachten, wie Teile der Bevölkerung verunsichert sind. "Hatte das zwielichtige Youtube-Video, das mir von einem Kumpel geschickt wurde, nicht vielleicht doch Recht und alles ist übertrieben und Panikmache?" werden sich einige Menschen in diesen Tagen bestimmt fragen. Die Solidarität in der Bevölkerung, die zu Beginn des Tsunamis noch herrschte, begann sich teilweise aufzulösen. 

Das Bild ist im Juni noch nicht fertig gemalt. Die 1. Tsunami-Welle schwappte bisher mäßig über das Land. Eine 2. Welle ist möglich, aber nicht sicher. Paradoxerweise scheint diejenige Eigenverantwortung, die von der Politik auf den einzelnen Menschen übertragende wurde, maßgeblich mit dazu beizutragen, ob sich am Ende des Jahres eine 2. Welle aufbäumt oder nicht. Wenn man sich im ÖPNV oder in den Fußgängerzonen dieses Landes umschaut, könnte einen Angst und Bange werden. 

-Bild Ende-

Auch wenn das vor mir "gemalte" Bild an einigen Stellen unvollständig ist und eigenwillig dargestellt wurde, so soll es dazu dienen, meine Meinung aufzuzeigen.

Fazit: Eigentlich sollte man einigen Wissenschaftlern und der Bundesregierung (insbesondere der Kanzlerin) sehr dankbar sein, dass die Corona-Maßnahmen wohlmöglich viele zehntausend Menschen das Leben gerettet haben. Oder glaubt jemand ernsthaft, dass Corona-Virus habe aus einem "Deutsch-Patriotismus" heraus diesem Land "nur" 8600 Tote "beschert" und deswegen nicht binnen weniger Wochen gemetzelt wie in Italien, Spanien, GB und Frankreich (jeweils circa 30.000 Tote) oder den USA (über 100.000 Tote)? Man wird nie wirklich herausfinden können, wie der Anfang der Pandemie ohne diese Einschränkungen in Deutschland verlaufen wäre. Es gibt keine parallele Model-Welt, an der man es hätte ausprobieren können. Aber wer sich den Verlauf in anderen Ländern anschaut, kann sich eigentlich noch freuen, dass seine Eltern oder Großeltern am Leben sind.